Unglück von Madrid:Triebwerk stand auf Umkehrschub

Neue Details zum Absturz: Ein Triebwerk der Madrider Unglücksmaschine soll sich unmittelbar nach dem Abheben von der Startbahn auf Umkehrschub gestellt haben.

Sechs Tage nach der Flugzeugkatastrophe von Madrid sind Experten immer noch auf der Suche nach der Unglücksursache. Jetzt wurde bekannt, dass ein Triebwerk der verunglückten Spanair-Maschine auf Umkehrschub geschaltet war. Dies fanden technische Experten nach spanischen Presseberichten bei ersten Untersuchungen an den Überresten des Flugzeugwracks heraus.

Spanair, AFP

Bei ersten Untersuchungen an den Überresten des Spanair-Maschine vom Typ McDonnell Douglas MD-83 haben Experten herausgefunden, dass ein Triebwerk auf Umkehrschub geschaltet war.

(Foto: Foto: AFP)

Es sei allerdings völlig unklar, wie dieser Mechanismus aktiviert worden sei, berichteten die Zeitung El País und El Mundo . Der Umkehrschub dient dazu, ein Flugzeug zu bremsen. Zur Unterstützung der Bremswirkung bei der Landung kann der Abgasstrahl am Triebwerk durch Klappen nach schräg vorn umgeleitet werden. Die Geschwindigkeit wird durch diesen Umkehrschub abrupt reduziert.

Eine ausgefeilte Technik sorgt gewöhnlich dafür, dass der Umkehrschub erst nach dem Aufsetzen ausgelöst werden kann. Theoretisch kann er somit nur eingeschaltet werden, wenn sich die Maschine am Boden befindet.

Die Bremse war wohl im rechten Motor geschaltet. Das wiederum könnte erklären, warum sich das Flugzeug auf die rechte Seite neigte, als es einige Sekunden in der Luft war. Dies geht laut El País aus den unter Verschluss gehaltenen Videoaufnahmen der Flughafenkameras hervor.

Allerdings wirft dies auch neue Fragen auf. Hat sich der Umkehrschub aufgrund eines technischen Fehlers aktiviert? Hat der Pilot die Bremse betätigt, um das Flugzeug zu stoppen? Oder hat sich die Bremse automatisch durch das Unglück eingeschaltet?

Der eingeschaltete Umkehrschub als mögliche Ursache für den Absturz ist für Luftfahrtexperten rätselhaft. "Um den Umkehrschub auszulösen, muss ein spezieller Hebel betätigt werden. Das ist in einer Startphase völlig ausgeschlossen", sagte der Flugingenieur Jürgen Heermann, der 30 Jahre lang große Verkehrsflugzeuge flog.

"Solange die Gashebel nach vorne gelegt sind, lässt sich der Hebel überhaupt nicht bewegen." Für nicht ausgeschlossen hält es Heermann, dass der Hebel beim Aufprall in eine andere Stellung gebracht worden sein könnte. Das müsse in den weiteren Untersuchungen geklärt werden.

Der zweistrahlige Jet der spanischen Fluggesellschaft Spanair war am vorigen Mittwoch unmittelbar nach dem Start auf dem Madrider Flughafen abgestürzt. Dabei kamen 154 Menschen ums Leben. 18 Insassen überlebten mit teilweise schweren Verletzungen.

Die Stewardess, die als einzige des Flugpersonals das Unglück überlebte, sagte nun den spanischen Ermittlern: "Ich habe bemerkt, dass das Flugzeug beim Abheben nicht die nötige Kraft hatte." Diese Beobachtung wiederum hätten laut El País fast alle Überlebenden gemacht.

Allerdings ergebe sich aus den Zeugenaussagen keinerlei Hinweise auf die Unglücksursache. Die Stewardess konnte auch keine Angaben zu den möglichen Gesprächen zwischen Pilot und Copilot machen. Denn zum Zeitpunkt der Katastrophe befand sie sich außerhalb des Cockpits.

Unterdessen konnte ein erster Überlebender aus dem Krankenhaus entlassen werden. Es handelt sich dabei um den sechsjährigen Roberto Alvarez Carretero, der am Montag aus dem Krankenhaus Ramon y Cajal entlassen worden sei, teilten die Madrider Gesundheitsbehörden mit.

Die weiteren 17 Überlebenden des Unglücks mit 154 Toten sind demnach weiter in Behandlung. Auch der Zustand des zweiten überlebenden Kindes, einem achtjährigen Jungen, verbessere sich. Der Zustand von zwei Verwundeten sei "sehr ernst", teilten die Behörden weiter mit. Eine 44-jährige Frau sei ins Koma gefallen und es gebe keine Aussicht auf Besserung ihres Zustandes.

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