Nepal:Luis Stitzinger vermisst - Rettungsteam unterwegs

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Luis Stitzinger im Jahr 2022 als Bergführer auf dem Mount Everest. (Foto: Luis Stitzinger, goclimbamountain.de)

Seit Donnerstag wird der deutsche Bergsteiger Luis Stitzinger am dritthöchsten Berg der Welt vermisst. Ein vierköpfiges Rettungsteam ist seit Montag auf dem Weg.

Von Nadine Regel

Luis Stitzinger, einer der erfolgreichsten deutschen Höhenbergsteiger, wird seit Donnerstagabend im Himalaja vermisst. Der 54-Jährige wollte den Kangchendzönga, den mit 8586 Metern dritthöchsten Berg der Welt, so weit wie möglich mit Ski abfahren. Seine Spur verliert sich während des Abstiegs vom Gipfel.

Erst am Montag konnte ein vierköpfiges Sherpa-Suchteam des nepalesischen Expeditionsveranstalters Seven Summit Treks im Basislager auf rund 5150 Metern abgesetzt werden. So berichtet es der Journalist Stefan Nestler, der in direktem Kontakt mit Stitzingers Frau steht, auf seinem Blog "Abenteuer Berg".

Laut Nestler sei geplant, möglichst noch am Montagabend zu Lager 4 auf rund 7600 Metern aufzusteigen, das letzte Hochlager vor dem Gipfel. "Die Sherpas sind mit Flaschensauerstoff unterwegs, um schnell voranzukommen."

Stitzinger hatte am Donnerstag schon seinen zweiten Gipfelversuch auf den Kangchendzönga gewagt, nachdem er am 18. Mai gemeinsam mit einer Gruppe gescheitert war: Die Gruppe hatte eine falsche Route gewählt und mussten unverrichteter Dinge wieder umkehren. Schon da fuhr Stitzinger einen Teil der Strecke mit Ski ab, was ab einer Höhe von etwa 8000 Metern kein Problem gewesen sein soll.

Seiner Frau, der Bergsteigerin Alix von Melle, soll Stitzinger am Donnerstag noch vom letzten Höhenlager aus geschrieben haben, dass alles in Ordnung sei und er zum Gipfel aufbrechen wolle.

Letzter Kontakt um 21 Uhr - auf 8300 Metern

Um 17 Uhr erreichte Stitzinger demnach als Letzter einer Gruppe aus Bergsteigern den Gipfel. Nach Angaben seines nepalesischen Expeditionsveranstalters Seven Summit Treks kontaktierte er das Team im Basislager noch einmal um 21 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt, es war schon dunkel, befand er sich auf dem Abstieg auf 8300 Metern. Sein Plan sah vor, mit der Abfahrt zu beginnen.

Mit einer weiteren Bergsteigerin, Flower Waganku Wayta Hirkawarmi, hatte er zuvor vereinbart, sich im Lager vier auf 7600 Metern zu treffen. Als Stitzinger nicht bis zum nächsten Morgen (Freitag) eintraf, schlug die Peruanerin Alarm.

Eine erste Rettungsaktion mit einem Hubschrauber und einem Rettungsteam konnte nicht stattfinden, weil Nebel eine Landung im Basislager verhinderte. Nach einer weiteren Nacht der Ungewissheit vermeldete Stefan Nestler am Montagmorgen jedoch auf seinem Twitter-Account, dass ein Helikopter mittlerweile auf 5140 Metern landen konnte. Von hier soll das Rettungsteam direkt ins Lager zwei (6400 Meter) geflogen werden, um von dort unter Zuhilfenahme von Flaschensauerstoff auf etwa 8300 Meter Höhe aufzusteigen.

Ein Vermisster ohne GPS-Signal

Die Bergsteiger-Community wartet bisher vergeblich auf ein Update von der Rettungsaktion. Die Peruanerin Flower Waganku Wayta Hirkawarmi, die noch kurz vor Stitzingers Verschwinden Kontakt mit ihm hatte, deutete am Montagvormittag in einem Instagram-Post an, dass die Rettung wohl schleppend angelaufen sei. Das könnte damit zusammenhängen, dass viele Ressourcen bei Rettungseinsätzen am Mount Everest gebündelt waren.

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Bei der Suche am Kangchendzönga stehen die Retter auch vor der Herausforderung, den Vermissten ohne GPS-Signal zu lokalisieren, weil die Ortungsfunktion von Stitzingers Gerät ausgestellt sein soll. Bei anderen Einsätzen dieser Art kamen spezialisierte Drohnen zum Einsatz, mit denen die Gebiete abgescannt werden konnten. Das Wetter hat die Rettung zudem erschwert und verbesserte sich erst am Montag.

Der Kangchendzönga ist der Achttausender direkt auf der Grenze zwischen Nepal und dem indischen Sikkim. Die Nordwand des Berges dominiert das Panorama, das man auf dem Weg von Taplejung durch das Ghunsa-Khola-Tal zum Basislager sieht. Sein Name stammt aus dem Tibetischen und bedeutet übersetzt so viel wie "Die fünf Schatzkammern des großen Schnees".

Einer der gefährlichsten Achttausender

Da der Berg im äußersten Osten des Landes gelegen ist, trifft der Monsun, der für gewöhnlich Ende Mai, Anfang Juni beginnt, als erstes auf das Gebiet rund um den Achttausender.

Der "Kantsch", wie er in der Szene genannt wird, gilt als einer der gefährlichsten Achttausender. Der Normalweg über die Südostseite ist sehr lawinengefährlich. Neuschnee und starker Wind sind keine Seltenheit. Zudem ist das Gelände auch technisch anspruchsvoll.

Kristin Harila, die am 18. Mai mit Hilfe von zusätzlichem Sauerstoff auf dem Gipfel des Kangchendzönga stand, beschreibt ihn als "einen extrem schwer zu besteigenden Berg mit vielen Felsen". Am selben Tag befand sich auch die Gruppe am Berg, mit der Luis Stitzinger unterwegs war. Sie gerieten auf 8200 Meter auf eine falsche Route und mussten umkehren, weil sie ohne Flaschensauerstoff keine Kapazitäten mehr hatten, noch den richtigen Weg einzuschlagen.

Unterwegs ohne Sauerstoffflasche

Für Stitzinger war der Kangchendzönga der zehnte von 14 Achttausendern. Seine Besteigungen unternahm er für gewöhnlich ohne Flaschensauerstoff, bis auf zwei Touren auf den Mount Everest, auf den er 2019 und 2022 als Bergführer Gäste geführt hatte. Bergführer-Kollegen posteten Bilder dieser letzten Everest-Tour am Sonntag auch auf Instagram.

Auf sechs der Achttausender stand er zudem mit seiner Frau Alix von Melle. Mit insgesamt sieben Gipfelerfolgen gilt die gebürtige Hamburgerin als die erfolgreichste deutsche Höhenbergsteigerin.

Bergsteigerpaar Alix von Melle und Luis Stitzinger 2012. (Foto: imago)

Mit dem Kangchendzönga wollte er nach seinen beruflichen Expeditionen in den vergangenen Jahren wieder ein privates Projekt umsetzen. Stitzinger war bereits von sieben weiteren Achttausendern mit den Ski abgefahren, darunter 2008 am Nanga Parbat (8125 Meter) und 2011 am K2, dem mit 8611 Metern zweithöchsten Berg der Welt.

Stitzinger studierte Sportwissenschaften sowie Anglistik in München und ist ausgebildeter Berg- und Skiführer. Seit 2004 leitet er Expeditionen auf Sieben- und Achttausender. 2013 machte er sich als Profibergsteiger selbstständig. Zuletzt führte er für den Expeditionsveranstalter Furtenbach Adventures. Gemeinsam mit Alix von Melle hält er regelmäßig Vorträge über ihre gemeinsamen Expeditionen.

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