Dresden:Asylbewerber mit Messerstichen getötet

Lesezeit: 3 Min.

  • Ein junger Asylbewerber wird in einer Wohnsiedlung in Dresden tot aufgefunden.
  • Der Polizeipräsident von Dresden, Dieter Kroll, bestätigt, dass es sich um ein Tötungsdelikt handelt.
  • In Dresden treffen sich Bürger zu Mahnwachen und Protesten für den getöteten Khaled B.

Von Manuel Stark

Khaled B. verlässt am vergangenen Montagabend gegen 20 Uhr den Plattenbau in der Johannes-Paul-Thilman-Straße in Dresden im Stadtteil Leubnitz-Neuostra. Der 20-jährige Flüchtling aus Eritrea möchte noch schnell etwas einkaufen, bevor die Läden schließen. Am nächsten Morgen, um etwa 7:40 Uhr, finden seine Nachbarn und Mitbewohner ihn tot im Innenhof der Wohnsiedlung.

Im Netz sorgt der Fall für große Aufregung. "Das ist so krass. Sprachlos", twittert einer. Über eine gewaltsame Tötung des jungen Afrikaners wird spekuliert. Auf Facebook werden auch Vorwürfe gegen Pegida laut.

Bis Mittwoch war unklar, wie Khaled B. starb. "Am Tatort konnten wir bisher keinerlei Hinweise auf die gewaltsame Einwirkung durch Dritte finden", hieß es vom Pressesprecher der Polizeidirektion Dresden, Thomas Geithner, auf Anfrage von SZ.de. Der Vorfall werde zwar als "unnatürlich" eingestuft, doch das liege daran, dass es sich bei dem Toten um einen jungen Mann handle. "Eine Krankheit, ein Sturz oder ein Suizidversuch könnten die Ursachen sein", sagte Geithner und dementierte Berichte, wonach bereits die Mordkommision in dem Fall ermittle. "Zuerst muss die Obduktion die Todesursache feststellen, dann wird darüber entschieden, ob eine kriminalistische Ermittlung aufgenommen wird."

Doch inzwischen steht fest: Khaled B. ist getötet worden. "Nach jetzigem Befund legen wir uns darauf fest, dass ein Messerstich ursächlich für die Verletzung verantwortlich ist. Wir schließen aus, dass es sich um einen Unfall handelt. Es ist ein Tötungsdelikt! Von vorsätzlichem Handeln ist auszugehen", sagte der Polizeipräsident von Dresden, Dieter Kroll, der Nachrichtenplattform MOPO24. Ein Motiv für die Tat sei bisher ebenso wenig bekannt, wie mögliche Täter.

Die Aussage eines Asylbewerbers, die das Nachrichtenportal in seinem Bericht zitiert, legt ebenfalls nahe, dass es sich um ein Tötungsdelikt handelt: "Wir sahen nur das Blut an seinem Hals und der Schulter, es sah schlimm aus", zitiert die Plattform einen Freund des Toten.

Doch von welcher Version der Geschehnisse geht die Polizei nun aus? Entspricht die Aussage des Pressesprechers dem Stand der Ermittlungen? Oder die des Polizeipräsidenten?

Konfrontiert mit diesen neuen Erkenntnissen, bleibt Polizei-Pressesprecher Geithner bei seiner Darstellung. "Das geschilderte Szenario kann ich nicht bestätigen", sagte er. Weiter will er sich nicht äußern. Der Polizeipräsident ist für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Am Abend liegen die Ergebnisse der Obduktion vor: Demnach wurde der 20-Jährige mit mehreren Messerstichen in Hals und Brust getötet. Oberstaatsanwalt Lorenz Haase sagte, es werde nun wegen Totschlags ermittelt. Auch eine Mordkommission sei eingerichtet.

Seit Mittwochabend ermittelt auch das Operative Abwehrzentrum gegen Extremismus (OAZ), eine Spezialeinheit der Polizei. Ein rassistisches Motiv ließe sich bisher aber nicht bestätigen, sagt Oberstaatsanwalt Lorenz Haase auf Nachfrage von SZ.de.

Gelebter Hass erfährt Widerstand

Während viele den Tod von Khaled B. in den sozialen Netzwerken offen betrauern, spricht aus anderen Kommentaren Verachtung - und Sympathie für die islamkritische Bewegung Pegida. Der Journalist Marcus Engert hat Screenshots der teilweise bereits wieder gelöschten Postings gesammelt: "Wenn morgen beispielsweise ne Katze umgefahren wird ist da auch die Pegida schuld ???" ist noch einer der harmloseren Kommentare.

Manche versuchen den Vorfall zu bagatellisieren und würdigen den Toten mit zum Teil menschenverachtenden Vokabular herab: "Der Tot ist Bestandteil vom Leben...in Afrika sterben jeden Tag dutzende Kinder und Erwachsene, das interessiert auch keinen, aber wenn hier ein Asyli hops geht, ja dann is das Geschrei groß", schreibt einer. "Wenn es ein Deutscher gewesen wäre hätte man nur nen Polizei Bericht ohne Foto gesehen ... aber wegen dem Bimbo läuft die Presse zur Hochform auf .... Dreckspack !", kommentiert ein anderer. Sogar von offener Freude über den Tod eines Menschen ist zu lesen.

Doch Aussagen wie "Einer weniger der auf unsere Kosten lebt" oder "Wer früher stirbt ist länger tot...", werden von einigen Lesern auch heftig zurückgewiesen. "Fällt euch selber eigentlich gar nicht auf, was hier verkehrt läuft? Mit läuft es eiskalt den Rücken runter!", schreibt eine Nutzerin, "In unserer Stadt ist ein junger Mensch gestorben, der sein ganzes Leben noch vor sich hatte. Könnte man nicht einfach mal Mitgefühl für ihn, seine Angehörigen und Freunde ausdrücken? So ein Mindestmaß an Anstand ist doch nicht zu viel verlangt", ein Nutzer. Ein weiterer Kommentator stellt die offensichtliche Frage: "Wie könnt ihr nur so herzlos sein?"

Mahnwache für Khaled

Die Aktionsgruppe "Dresden Nazifrei" hat währenddessen via Facebook zu einer öffentlichen Mahnwache aufgerufen. "Wir werden versuchen, unseren Gefühlen Ausdruck zu verleihen, auch wenn sie nicht in Worte zu fassen sind. Wir tun dies nicht vereinzelt, sondern zusammen. Nicht im Privaten, sondern auf der Straße, weil dies in einer Stadt mit offen rassistischer Grundstimmung geschehen ist", heißt es in dem Aufruf. Bis zum späten Mittwochnachmittag wurde die Aufforderung bereits mehr als 300-mal geteilt.

Auch beim traditionellen Neujahrsempfang unter dem Motto "Aus aller Welt - zu Hause in Sachsen" durch Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) am Mittwochnachmittag kam es zu Solidaritätsbekundungen für den getöteten Khaled B. Vor dem Eingang des Museums Albertinum versammelten sich etwa 300 Menschen. Sie forderten von den Politikern eine schnelle Aufklärung des Falles.

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