Unbeabsichtigte Anrufe:Wer mit dem Hintern telefoniert...

...hat kein Recht auf Privatsphäre. Zumindest nicht in Kentucky. Was ein Gerichtsurteil mit Alltagsvoyeurismus und Tastensperren zu tun hat.

Von Felicitas Kock

Man kennt das ja, da klingelt das Telefon, das Display verspricht den Anruf eines guten Freundes oder Kollegen, man flötet eine Begrüßungsformel - und bekommt als Antwort unregelmäßiges Rauschen. Ein paar abgebrochene Wortfetzen. Es knackt. Dann, endlich, spricht der Mensch am anderen Ende der Leitung verständlich - nur leider mit einer anderen Person. Man ruft dann vielleicht in den Hörer: "Hallo! Jemand da?" Bis sich die Erkenntnis einstellt, mit einer Handtasche zu telefonieren. Oder mit einem Hintern.

Butt Dial (oder auch Pocket Dial) heißt der amerikanische Ausdruck für unbeabsichtigte Anrufe mit dem Mobiltelefon, etwa weil die Tastensperre nicht aktiviert ist. Und wo Menschen etwas mit einem Wort benennen können, ist der zugehörige Richterspruch nicht weit. Im US-Bundesstaat Kentucky etwa wurde nun über die Frage entschieden, ob man dem Hintern und dem dazu gehörenden Menschen eigentlich zuhören darf. Und ob die abgehörten Informationen privat sind oder nicht.

Im konkreten Fall hatte ein Mitglied eines Flughafen-Vorstands versehentlich seine Assistentin angerufen. Die Frau hörte nicht nur 90 Minuten lang zu, als ihr Chef darüber sprach, wie man den Vorstandsvorsitzenden feuern könnte. Sie notierte das Gespräch Wort für Wort, zeichnete einzelne Abschnitte auf und legte das Ergebnis dem gesamten Vorstand vor. Der auf diese Weise vorgeführte Mitarbeiter verklagte seine wenig loyale Assistentin. Doch die Richter entschieden gegen ihn.

"Eine Person, die wissentlich ein Gerät bedient, das ihre Gespräche für Dritte nachvollziehbar machen kann, und die es nicht schafft, einfache Vorsichtsmaßnahmen dagegen zu ergreifen, hat kein Anrecht auf Privatsphäre", heißt es in der Urteilsbegründung. Kurz: Wer zu blöd ist, die Tastensperre einzuschalten, ist selbst schuld.

Jemand bestellt Kaffee? Wahnsinnig interessant!

Nun gilt die Gesetzgebung aus den USA nicht für Deutschland. Und selten wird man derart Kompromittierendes zu hören bekommen wie die Assistentin des Flughafenvorstands in Kentucky.

Trotzdem: Hat sich nicht jeder, der von einem Hintern angerufen wurde, schon einmal dabei ertappt, wie er zwischen zwei "Hallo"-Rufen lauschte, was sich am anderen Ende der Leitung ereignete? Um herauszufinden, warum der Anrufer nicht antwortete - aber auch, weil automatisch interessanter wird, was nicht für die eigenen Ohren bestimmt ist, selbst wenn es nur eine Kaffee-Bestellung ist oder ein Gespräch über das Ziehen von Zitruspflanzen auf einem Balkon mit Nordausrichtung.

Man könnte es sich also einfach machen und dem Hang zum Alltagsvoyeurismus freien Lauf lassen. Einfach ein bisschen länger lauschen. Kentucky hat's ja erlaubt. Wenn sich das alle denken, sollte man sich aber schleunigst um die eigene Tastensperre kümmern. Oder wie Bloomberg schreibt: Es war nie gefährlicher, einen Hintern zu haben.

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