Süddeutsche Zeitung

Umweltverschmutzung:Plastik im Plankton

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Kunststoff treibt nicht nur auf dem Meer - die Ozeane sind bis zum Grund davon durchsetzt.

Von Wiebke Rögener

Fantastic, it"s plastic" - das mussten britische Meeresforscher feststellen, als sie den Meeresgrund des Nordatlantik näher untersuchten (1). In Sedimentproben fanden sie ebenso wie an der Küste Großbritanniens mikroskopisch kleine Kunststoffbröckchen. Angeschwemmte Plastikflaschen und andere Kunststoffabfälle sind nur der augenfälligste Teil einer ständig wachsenden Plastikansammlung in den Ozeanen. Zwar zerbröseln Verpackungen, Seile oder Spielzeug aus Kunststoff, sie verschwinden aber keineswegs ganz. Denn die meisten Kunststoffe sind nicht biologisch abbaubar. Sie werden nur nach und nach mechanisch zerkleinert, bis sie zu - oft leuchtend bunten - Partikeln im Meeresboden werden.

Auch im freien Wasser treiben die winzigen Plastikteilchen. Hier werden sie vom Plankton aufgenommen. Schon mindestens seit den 60er-Jahren sind diese winzigen Meereslebewesen mit Kunststoff verseucht, stellten die Wissenschaftler aus Plymouth und Southampton jetzt fest. Sie hatten Planktonproben inspiziert, die seit 40 Jahren regelmäßig aus britischen Gewässern entnommen und archiviert worden waren. Im Laufe der Zeit sei aber der Kunststoffanteil im Plankton dramatisch angestiegen.

Wo Plastik überwiegt

Besorgt beobachten Meeresforscher schon seit längerem die ständig wachsenden Mengen von Plastikmüll, die auf den Meeren treiben. So kreisen in einem riesigen Strudel im Nordpazifik etwa drei Millionen Tonnen Kunststoffabfälle, errechnete die Algalita Marine Research Foundation im kalifornischen Long Beach. Der Müllteppich bedeckt eine Fläche von der Größe Mitteleuropas.

In den meisten dort entnommenen Wasserproben gibt es mehr Plastikstücke als Plankton: Vor der kalifornischen Küste fanden sich zweieinhalbmal so viele, nordöstlich von Hawaii gar sechsmal so viele Kunststoffteilchen wie Kleinlebewesen im Meerwasser. Dabei ist der Abfall ist keineswegs nur ein ästhetisches Problem. Den Forschern aus Long Beach zufolge sterben allein im Nordpazifik jährlich fast 100.000 Meeressäuger, weil sie sich im Plastikmüll verfangen oder an der unverdaulichen Beute zu Grunde gehen. Auch für Vögel und Fische ist Kunststoff eine Gefahr. 82 von 144 untersuchten Vogelarten hatten Plastikstücke im Magen.

Welchen Schaden die mikroskopisch kleinen Teilchen aus Acryl, Nylon, Polyester & Co. im Ökosystem der Meere anrichten, ist dagegen noch unklar. Vermutlich geht von den winzigen Bröckchen eher eine langfristige Gefahr aus. So lagern sich viele Chemikalien an Kunststoffe an. Möglicherweise sind die Plastikpartikel also mit Giftstoffen beladen, die sich auf diese Weise in der Nahrungskette anreichern könnten.

(1) Science, Bd. 304, S. 838, 2004

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Quelle:
SZ vom 11.5.2004
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