Umweltskandal in China:Eine bleischwere Hypothek

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In zwei chinesischen Provinzen sind insgesamt 2000 Kinder an Schwermetallvergiftungen erkrankt - die Zahl gilt nur als Spitze des Eisbergs.

Christoph Neidhart

Mehr als 800 Kinder sind in Chinas Provinz Shaanxi an Bleivergiftungen erkrankt, wie die zentrale chinesische Presse berichtet. Sie wurden von den Abgasen einer Bleischmelze des Metall- und Bergbaukonzerns Dongling in der Stadt Changqing vergiftet.

Giftschleuder: Die Abgase einer Bleischmelze des Metall- und Bergbaukonzerns Dongling in der Stadt Changqing haben Hunderte Kinder krank gemacht (Foto: Foto: Reuters)

Die lokalen Behörden wiegelten zuerst ab, Bürgermeister Dai Zhengshe erklärte gar, die Bleifabrik sollte den unterbrochenen Betrieb so bald wie möglich wieder aufnehmen. Erst wütende Proteste der Bevölkerung, die zu Beginn der Woche auf das bewachte Gelände der Fabrik drangen, Absperrungen niedergerissen und Lastwagen zerstörten, stoppten die Wiederinbetriebnahme. Der Bürgermeister entschuldigte sich nun.

Die Fabrik in Changqing, die Lokalpolitiker bei ihrer Eröffnung vor sechs Jahren als großen Schritt zur Industrialisierung der abgelegenen, einst idyllische Gegend feierten, war bereits als besonders ökologisches Vorzeige-Unternehmen ausgezeichnet worden und trägt mit 17 Prozent zur Gesamtwirtschaftsleistung des Bezirks bei.

Beschwerden ignoriert

Schon deshalb ignorierten die lokalen Behörden die Beschwerden aus den umliegenden Dörfern anfänglich. Dongling gehört zu den 500 größten Firmen Chinas. Ihren Gründer, den 51-jährige Li Heiji, feierte die lokale Presse der extrem rückständigen Provinz Shaanxi einst als Musterbeispiel eines Selfmade-Mannes.

Fast gleichzeitig sind in der Provinz Hunan im Süden Chinas mehr als 1200 Kinder an einer Schwermetall-Vergiftung erkrankt, in vier Dörfern sind zwei Drittel aller Kinder von der Vergiftung betroffen. Doch anders als in Shaanxi haben die Behörden der Kreisstadt Liuyang rasch regiert und mehrere Dutzend Beamte und Manager der Fabrik verhaften lassen. Den betroffenen Familien sind für jedes erkrankte Kind umgerechnet knapp 90 Euro angeboten worden, was einige Eltern allerdings empört ablehnten.

Die Hongkonger Zeitung South China Morning Post schreibt, die beiden Umweltskandale seien nur die Spitze eines Eisbergs. Unweit der verseuchten Dörfer bei Liuyang starben kürzlich fünf Menschen an einer Kadmiumvergiftung, hunderte wurden krank.

Alle diese Fälle, so heißt es in dem Bericht, folgten einem ähnlichen Muster. Der große Rohstoffbedarf veranlasse unerfahrene oder skrupellose Unternehmer, in die Schwermetall-Produktion zu investieren. Sie nähmen unkontrollierte, oft untaugliche Schmelzöfen in Betrieb, aus ihren Erträgen flössen hohe Beiträge in die Budgets der lokalen Behörden - und vielleicht auch in die Taschen der Beamten. So könnten sie über Jahre illegal arbeiten. Und der Pfusch werde erst bekannt, wenn viele Menschen Vergiftungssymptome zeigen.

Die Tatsache, dass die Presse über solche Umweltskandale kritisch berichten darf, zeigt auch, dass die chinesische Zentralregierung nach zahlreichen Umwelt- und Vergiftungsskandalen inzwischen dem wachsenden Druck aus der Bevölkerung nachgibt. An der Situation etwas ändern wird es aber wohl kaum.

© SZ vom 28.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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