BP und die Umweltkatastrophe:Doppelt so viel Öl - täglich

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Neue Analyse, neue Hiobsbotschaft: In den Golf von Mexiko fließt offenbar weit mehr Öl als bisher gedacht - schon jetzt übertrifft das Ausmaß frühere Unglücke. Barack Obama zitiert den BP-Aufsichtsratschef ins Weiße Haus.

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko hat deutlich größere Ausmaße als bisher angenommen: Die US-Behörden gehen inzwischen davon aus, dass täglich bis zu 40.000 Barrel Öl (etwa 6,4 Millionen Liter oder 1,6 Millionen Gallonen) ins Meer fließen. "Die niedrigste auf wissenschaftlichen Analysen beruhende Schätzung liegt bei 20.000 Barrel, die höchste glaubwürdige um die 40.000 Barrel", sagte am Donnerstag die Vorsitzende einer von der Regierung wegen der Katastrophe eingesetzten Expertengruppe, Marcia NcNutt. Mindestens 3,2 Millionen Liter Rohöl fließen demnach täglich in den Golf von Mexiko.

Barack Obama am 10. Juni: Hilflos angesichts der Katastrophe. (Foto: dpa)

Die Schätzungen beruhen unter anderem auf einer präzisen Auswertung von Videos, die das Leck am Meeresgrund zeigen. Bisher war die Expertengruppe von 12.000 bis 19.000 Barrel pro Tag ausgegangen, die ins Meer fließen.

Die Schätzung bezieht sich auf die Zeit vor dem 3. Juni. Seitdem hat BP einen Trichter angebracht, der einen Teil des austretenden Rohöls einfängt. Die Kapazität dafür soll laut New York Times ab nächster Woche bei 25.000 Barrel täglich liegen. Auch diese Maßnahme kann also eine weitere Ausdehnung der Ölteppiche nicht restlos verhindern. Diese verseuchen den Golf von Mexiko und seine Küsten seit dem 20. April, als die BP-Bohrinsel Deepwater Horizon explodierte und zwei Tage später versank.

Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse der US-Geologiebehörde dürften das Vertrauen in den Ölkonzern BP weiter beschädigen. Bereits seit Beginn der Ölkatastrophe wird dem Konzern zögerliche Informationspolitik und ungenügendes Handeln vorgeworfen.

Kritik gegen BP, Unterstützung für Hinterbliebene

US-Präsident Obama versucht, mit harten Vorwürfen und erhöhtem politischen Druck gegenzusteuern. Wegen der Ölpest im Golf von Mexiko hat der US-Präsident den Vorsitzenden des Aufsichtsrates des britischen Ölkonzerns BP ins Weiße Haus einbestellt. Carl-Henric Svanberg solle am kommenden Mittwoch Obama Rede und Antwort stehen, teilte das Weiße Haus in Washington mit. Ein entsprechendes Schreiben vom Chef-Koordinator für das Krisenmanagement an der ölverseuchten Golfküste, Küstenwachen-Admiral Thad Allen, sei an Svanberg geschickt worden. Darin habe Allen nochmals klargemacht, dass BP "finanziell für alle Kosten voll verantwortlich" sei.

Obama war dafür kritisiert worden, dass er bislang nicht mit dem Chef des Ölkonzerns, Tony Hayward, gesprochen hatte. Der Präsidentensprecher entgegnete auf die Frage, ob dies geplant sei, ein Treffen mit dem Direktoriumschef sei wichtiger, weil dieser aufgrund der Konzernstruktur für die Standards zuständig sei, an denen sich das Unternehmen messen lassen müsse.

Obama hatte in den vergangenen Tagen immer wieder gegen den Konzern gewettert. Unter anderem sagte der Präsident über BP-Chef Tony Hayward, er hätte diesen längst gefeuert. Außerdem setzte die US-Regierung dem britischen Konzern ein Ultimatum für neue Vorschläge im Kampf gegen die Ölpest.

Den Hinterbliebenen der elf Arbeiter, die bei der Explosion am 20. April umkamen, sagte Obama seine Unterstützung zu. Er empfing die Familien am Donnerstag im Weißen Haus, und Keith Jones, dessen Sohn am 20. April ums Leben kam, sagte danach: "Er sagte uns, dass wir nicht vergessen werden." Das Treffen mit den Hinterbliebenen fand am 51. Tag nach der Katastrophe statt.

Wie groß das Ausmaß des Desasters ist und wie hilflos Behörden und BP sind, zeigt auch eine Berechnung der New York Times, die in der Mitte der neuesten Schätzungen - mit 30.000 Barrel auslaufendem Öl täglich - ansetzt. Da ein Barrel 42 Gallonen entspricht, käme die Menge auf 1,3 Millionen Gallonen täglich. Bei der Katastrophe der Exxon Valdez verseuchten 10,8 Millionen Gallonen Öl (40,9 Millionen Liter) die Küsten im Süden Alaskas. Die Tanker-Havarie gilt bis heute als schwerste Öl-Katastrophe der US-Geschichte.

© AFP/Reuters/APN/grc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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