Süddeutsche Zeitung

Mexiko:Der Beschützer der Schmetterlinge ist tot

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Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Der Monarchfalter, so sagt man im mexikanischen Bundesstaat Michoacán, trage die Seelen der Toten mit sich. Doch nun ist einer der standhaftesten Kämpfer für den Schutz der kleinen orange-schwarzen Falter selbst gestorben. Am Mittwoch gab die lokale Staatsanwaltschaft bekannt, sie habe den Körper von Homero Gómez González gefunden, in einem Regenwassertank und rund zwei Wochen nachdem er als vermisst gemeldet worden war. Wie Gómez umgekommen ist, sei noch unklar, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft, kaum jemand aber geht von einem Unfall aus.

50 Jahre alt war Gómez, als er starb. Ein stämmiger Mann mit breitem Schnauzer. Vielen Mexikanern war er vor allem wegen seiner Videos im Netz bekannt, in denen er von den Monarchfaltern erzählte, umschwirrt von unzähligen Schmetterlingen.

Jedes Jahr im Herbst verlassen diese ihren Lebensraum in den USA und Kanada, um nach Süden zu ziehen. Bei ihrer Wanderung legen sie Tausende Kilometer zurück, sie trotzen Regen und Wind, bis sie schließlich Mexiko erreichen. In riesigen Schwärmen durchflattern sie dort die Luft, wie sanfter Nieselregen klingt der Schlag ihrer Flügel, ein Wunder der Natur, das allerdings zunehmend bedroht ist.

Der Hunger der Hipster ist ein Problem

In den USA und Kanada rückt die industrielle Landwirtschaft mit Pestiziden und Monokulturen dem Lebensraum der Schmetterlinge zu Leibe. Schon seit Jahren schlagen Wissenschaftler darum Alarm. Immer weniger Falter würden sich auf den Weg gen Süden machen. Dort angekommen, haben sie es dann immer schwerer, überhaupt einen Platz zum Überwintern zu finden. Denn die Bäume, auf denen die Falter sonst Schutz vor Regen und Kälte finden, werden in großem Stil umgesägt, von illegalen Holzfällern, immer öfter aber auch von Avocadobauern. Die grüne Frucht boomt weltweit, kaum irgendwo wächst sie so gut wie in Zentralmexiko, und so macht auch der Hunger der Hipster die Heimat der Monarchfalter zunichte.

Homero Gómez kämpfte gegen all dies. Aufgewachsen in einer kleinen Gemeinde in den Bergen Michoacáns, engagierte Gómez sich früh für den Schutz der Wälder und der Schmetterlinge. Er war maßgeblich am Aufbau eines Schutzzentrums beteiligt, erst vergangenes Jahr wurde es eröffnet.

Immer wieder kam Gómez bei seinen Bemühungen wohl aber auch mächtigen lokalen Interessengruppen in die Quere. Der Krieg der Kartelle, der Mexiko seit Jahren zerrüttet, tobt in Michoacán besonders heftig. Die Narcos streiten hier nicht nur um Schmuggelrouten für Kokain, sondern auch um Anteile am lukrativen Holzhandel und eben auch den Anbau von Avocados. Gómez habe vor seinem Tod Drohungen erhalten, sagen seine Angehörigen. Und schon kurz nach seinem Verschwinden Mitte Januar äußerte eine Sprecherin der staatlichen Menschenrechtskommission von Michoacán den Verdacht, dass Gómez ein Opfer der illegalen Holzfäller geworden sein könnte.

375 tote Umweltschützer in zehn Jahren

Der Naturschützer wäre damit Teil einer traurigen Statistik, die Lateinamerika zu einer der gefährlichsten Regionen der Welt für Umweltaktivisten macht. In Ländern wie Brasilien, Kolumbien, Nicaragua, Peru oder eben auch Mexiko werden Menschen bedroht, weil sie Wälder schützen wollen, gegen Minen kämpfen oder den Bau von Staudämmen verhindern wollen. Das lateinamerikanische Journalistenkollektiv "Tierra de resistentes" hat die Attacken auf Umweltschützer aus zehn Jahren zusammengetragen. Sie kamen dabei auf mehr als 1350 An- und Übergriffe, 375 endeten tödlich.

In Michoacán werden sich die Monarchfalter in ein paar Wochen wieder auf den Weg gen Norden machen. Homero Gómez hat ihren Abflug nicht mehr erlebt. Dass die Schmetterlinge im Herbst wiederkommen, dürfte ihm vielleicht ein Trost gewesen sein. Er selbst jedoch kehrt nie wieder zurück.

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