Umstrittenes Bauprojekt:Wie Watamu zum Miami Ostafrikas werden soll

Umstrittenes Bauprojekt: Der Turtle-Beach von Watamu. Traumhaft schön, aber touristisch noch nicht sehr erschlossen. Wenn es nach den großen (oder auch größenwahnsinnigen) Plänen von drei Italienern geht, soll sich das ändern.

Der Turtle-Beach von Watamu. Traumhaft schön, aber touristisch noch nicht sehr erschlossen. Wenn es nach den großen (oder auch größenwahnsinnigen) Plänen von drei Italienern geht, soll sich das ändern.

(Foto: John Warburton-Lee/mauritius images)
  • In dem bisher kaum erschlossenen Ort Watamu in Kenia soll ein Hochhaus von 370 Metern Höhe entstehen, mit 24-Stunden-Casino, Privatapartments und Einkaufszentrum.
  • Umweltschützer sind entsetzt. Doch einige sehen in dem gigantischen Projekt eine Chance für den Tourismus.

Von Bernd Dörries

Heimat der freundlichen Menschen - so heißt übersetzt der kleine Ort, dessen Name in Swahili, der Lingua franca Ostafrikas, Watamu lautet. Und recht freundlich sehen auch die Bilder aus, die man von Watamu im Netz findet. Weißer Sandstrand mit vorgelagerten Korallenriffen, das Wasser türkisblau. In der Nähe befinden sich die Ruinen von Gedi, einer Handelsstadt aus der vorkolonialen Zeit. Etwa 14 000 Menschen leben in Watamu am Indischen Ozean, etwa 2000 Hotelbetten gibt es hier an der kenianischen Küste - die Strände des Örtchens werden regelmäßig zu den schönsten ganz Afrikas gewählt. Touristisch ist Watamu bisher dennoch recht überschaubar geblieben, ein verschlafenes Nest.

Das wollen einige Investoren nun gerne ändern, zum "Miami Ostafrikas" wollen sie die Region machen, wobei nicht einmal Miami ein Hochhaus von 370 Metern hat, wie es jetzt in Watamu gebaut werden soll. Es wäre das höchste des ganzen Kontinents. Für die einen wäre es die "totale Katastrophe, die Zerstörung eines kleinen Paradieses". Für andere "eine große Chance für neue Arbeitsplätze".

Das Hochhaus bringt Jobs, sagen die einen. Es zerstört die Natur, finden die anderen

"Palm Exotjca", hat eine Gruppe italienischer Investoren das Projekt genannt, einen Turm mit 61 Stockwerken, eine elegante Glasfassade mit Hubschrauber-Landeplatz auf dem Dach. Ein Hotel soll in das 500-Millionen-Dollar-Projekt einziehen, außerdem ein Kongresszentrum. Dazu ein 24-Stunden-Casino, fast 200 luxuriöse Privatapartments, ein Einkaufszentrum, Büros und dazu noch eine Hotelfachschule. "Für den anspruchsvollen Reisenden, der die feinen Dinge des Lebens zu schätzen weiß", heißt es auf der Internetseite des Projekts.

"Wir sind begeistert, das Palm Exotjca ist vor allem für die Jugend in Watamu eine große Chance. Viele von ihnen haben nach dem Schulabschluss keine wirkliche Perspektive", sagt Karen Korir am Telefon. Die Kenianerin hat Biomedizin und Psychologie studiert und in ihrer Freizeit für Freunde und Verwandte Reisen nach Watamu gebucht, daraus wurde dann schließlich ihr eigenes Reisebüro "Beautiful Watamu".

Während ihres Studiums hatte sie ehrenamtlich in den Schulen der Region unterrichtet und gesehen, wie schwierig es für Jugendliche war, eine Ausbildung oder einen Job zu finden. "Wir sind hier vom Tourismus abhängig. Wenn er wächst, ist das für viele eine große Chance." Es sei auch eine Möglichkeit, von den bisher recht saisonalen Buchungen unabhängiger zu werden, die Auslastung das ganze Jahr über zu steigern. "Ich hoffe wirklich, dass das Hochhaus gebaut wird."

Eigentlich sollte damit schon im September 2018 begonnen werden, derzeit sind aber nach Angaben von Einwohnern nur ein paar chinesische Bautrupps dabei, Bodenproben zu nehmen. Etwa einen Hektar groß soll nach den Planungen das Fundament werden, dazu müssten nach Berechnungen einiger Anwohner etwa 270 000 Tonnen Erde und Sand abgetragen werden, was in etwas 20 000 Lastwagenladungen entsprechen würde.

"Das ganze Projekt ist völlig überdimensioniert, es wird Watamu in seiner jetzigen Form zerstören", sagt Sir Michael Norton-Griffiths. Er lebt seit 50 Jahren in Kenia, hat in der Hauptstadt Nairobi bei Umweltprojekten mitgearbeitet und ist nach seinem Ruhestand an die Küste gezogen, wo er nun eine Gruppe von Grundstückseigentümern leitet, die Watamu Association.

Wenige Kilometer von der Baustelle entfernt beginnt der Watamu-Meeresnationalpark mit 200 Fischsorten und einem Korallenriff. Schildkröten nutzen den Strand als Brutstätte, das neue Hotel soll ausgerechnet an der Turtle-Road entstehen.

Viele der Grundstücke und Hotels in Watamu gehören Briten, ein paar Kilometer entfernt in Malindi ist vieles in italienischer Hand, die Kinder dort grüßen Touristen mit "Ciao", man sieht italienische Damen mit deutlich jüngeren kenianischen Bekanntschaften am Strand. Hin und wieder wird gemunkelt, dass es in Malindi nicht immer mit rechten Dingen zugehe, dass die Mafia ihre Finger im Spiel habe.

"Ich kann es nicht beweisen, aber ich glaube, dass das Palm Exotjca einfach ein großer Betrug ist", sagt Norton-Griffiths. Die Website des Projektes führt als Vorstandschef einen Tierarzt aus Rom an, entworfen haben will das Gebäude ein italienischer Architekt, von dem sich nicht feststellen lässt, ob er tatsächlich schon einmal ein Haus gebaut hat. Auf seinem Blog beschäftigt er sich mit der Frage, wie man Badezimmer am besten renoviert, und warum muslimische Frauen Schleier tragen.

Ans Telefon geht nie jemand, und auf die Mail bekommt man die Antwort: unzustellbar

Dritter im Bunde ist der Geschäftsführer, dessen Name sich in Offshore-Leaks findet. Als Kontakt ist auf der Website nur eine Telefonnummer in New York angegeben, bei der niemand abnimmt. Mailadressen, die von den Dreien im Netz zu finden sind, funktionieren nicht, Anfragen bleiben unbeantwortet. Der Architekt erklärt sich einmal über Facebook bereit, Fragen zu beantworten, meldet sich dann aber nie wieder. Schreibt man an die Mailadresse, unter der nach seinen Angaben sein Vorstandschef zu erreichen ist, bekommt man nur eine Antwort: unzustellbar.

Traut man diesen Leuten zu, das höchste Hochhaus Afrikas zu bauen? Ein Gebäude in einer Dimension, für die die bisherige Infrastruktur des Ortes überhaupt nicht ausreicht? Es gibt weder genügend Wasser, noch genügend Strom, geschweige denn eine Fabrik, die ausreichend Beton produzieren könnte.

"Es ist ein Witz", sagt Sir Michael Norton-Griffiths. "Ich vermute, dass ein bisschen mit dem Bau begonnen wird, die Anleger ihr Geld einzahlen - und das Projekt dann pleite geht, die Bauherren mit dem Geld abhauen." Ganz in der Nähe Watamus habe es etwas Ähnliches gegeben, Ergebnis sei eine zehnstöckige Bauruine.

Andererseits soll einer der drei Italiener bereits ein Hotel mit 200 Zimmern in Watamu besitzen. Sie haben umfangreiche Anträge bei den Behörden eingereicht, die jüngste Umweltverträglichkeitsstudie umfasst 179 Seiten, auf denen detailliert aufgelistet ist, wie die Umweltbelastungen während der Bauphase minimiert werden sollen, wie das Abfallmanagement des Hotels aussehen werde, was für Arbeitsplätze entstehen. Mehrere öffentliche Anhörungen gab es bereits, auf denen die Anwohner über den Bau informiert wurden, eine mit mehr als 500 Anwesenden.

Die Atmosphäre auf dem Treffen sei sehr angespannt gewesen, sagt Norton-Griffiths. Jede Kritik sei von den Befürwortern des Projekts sogleich niedergebrüllt worden.

"Alle im Ort sind begeistert", sagt hingegen die Reiseveranstalterin Karen Korir. Sie hoffe, das bald mit dem Bau begonnen wird.

Die drei Italiener schweigen.

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Cows graze in front of a farmhouse in Lawley informal settlement in the south of Johannesburg

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