Umstrittener Armenhelfer:Ende einer Dienstfahrt

Die "Maserati-Affäre" hat Treberhilfe-Geschäftsführer Harald Ehlert den Job gekostet. Der Vorfall hat die Diskussion angestoßen, ob es sich gut leben lässt vom Geschäft mit der Armut.

Constanze von Bullion

Man muss sich diesen Mann vorstellen wie ein überlastetes Kraftwerk, ständig unter Dampf, schnell überhitzt und seit Tagen bedrohlich nah dran an einer Kernschmelze. Harald Ehlert ist eine Berühmtheit geworden in Berlin, als Armenhelfer im Maserati, als Gernegroß mit schickem Wohnsitz am See, und wie ein ganz Wichtiger wird er auch eskortiert, sicher ist sicher.

Man begleitet ihn neuerdings bei jedem Auftritt, rückt schon mal zurecht, was er da so erzählt, und die Mitarbeiter des Diakonischen Werks Berlin-Brandenburg lassen ihn keine Minute aus den Augen, als er sich diese Woche in den Bezirk Steglitz bewegt, ins Haus der Diakonie und in einen zu engen Bürostuhl, in dem es bald etwas lauter wird.

Ehlert ist 47 Jahre alt und eine Persönlichkeit, die beim Reden oft die Arme ausbreitet und um den Hals gern einen offenen Seidenschal trägt, was ihn irgendwie wie einen Prediger aussehen lässt. Er sieht sich wohl auch als eine Art Missionar, Ehlert will der Welt klar machen, was ein "Sozialunternehmer" ist, ein erfolgreicher "Sozialarchitekt" wie er das nennt, aber die Welt versteht nicht.

Öffentliche Amokfahrt

Der Mann mit dem Schal ist der Gründer der Berliner Treberhilfe, er hat aus einem Drei-Mann-Betrieb in 20 Jahren ein gemeinnütziges Vereins- und Unternehmenskonstrukt mit 280 Mitarbeitern gemacht, die sich um junge Wohnungslose kümmern, um Ausreißer, Vernachlässigte und solche, die sich schon lange nicht mehr zutrauen, hinter einer Haustür zu leben.

Die Ärmsten der Armen werden da betreut, und in Berlin wurde diese Arbeit geschätzt. Bis losbrach, was jetzt "Maserati-Affäre" heißt, zur öffentlichen Amokfahrt geriet und Harald Ehlert jetzt den Job gekostet hat.

Geschäft mit der Armut

Am Donnerstag hat er hingeschmissen, bis auf Weiteres. Ehlert lässt sein Amt als Geschäftsführer der gemeinnützigen Gesellschaft Treberhilfe ruhen. Seine Geschäftanteile tritt er an den Verein Treberhilfe ab, das ist die zweite Hälfte dieses Verbunds. Ehlert wird auch nicht im Aufsichtsrat sitzen, den man seiner Gesellschaft implantiert hat. Bis zur Klärung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe soll ein zweiter Geschäftsführer seine Arbeit übernehmen.

Die "Maserati-Affäre" hat eine Diskussion darüber angestoßen, ob es sich in Berlin, der Hauptstadt der Bedürftigen, etwas zu gut leben lässt vom Geschäft mit der Armut.

Nirgends in Deutschland gibt es so viele soziale Projekte, sie werden mit Steuergeldern gefüttert, aber was genau sie tun, weiß kaum einer zu sagen. Kontrolliert werden sie wenig, weder in großen Wohlfahrsverbänden noch im trägen Mahlwerk von Bezirken und Verwaltungen sieht man sich dieser Sisyphusarbeit gewachsen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was Harald Ehlert wütend macht und welches Signal er mit der Anschaffung des Wagens setzen wollte.

Keine Ahnung von moderner Sozialarbeit

Der Staatssekretär im Berliner Sozialsenat, Rainer Fritsch, will die Treberhilfe jetzt gründlich durchleuchten. "Wir müssen da Transparenz reinkriegen", sagt er, "das öffentliche Verhalten von Herrn Ehlert hat alle Alarmglocken klingeln lassen."

Wenn man Harald Ehlert fragt, ob ihm vielleicht ein Fehler unterlaufen ist, schießt er nach vorn mitsamt seinem Bürostuhl. Er ist wütend. "Es hat Kommunikationsdefizite gegeben, das sehe ich ein", sagt er. Aber sonst? Wo stehe geschrieben, dass der Geschäftsführer einer gemeinnützigen Gesellschaft keinen Maserati als Dienstwagen anschaffen dürfe, fragt er.

"Auf Augenhöhe mit der Wirtschaft"

120.000 Euro "minus Rabatt" habe der Neuwagen die Treberhilfe gGmbH gekostet, das Finanzamt habe die Angemessenheit des Wagens geprüft und "aufgrund eines Gutachtens genehmigt", sagt er. Auch ein BMW-Geländewagen gehört zur Wagenflotte der Treberhilfe: "Wir müssen als soziale Einrichtung deutlich machen, dass wir auf Augenhöhe sind mit der Wirtschaft."

Er ist eben nicht so der Typus Sozialarbeiter, sondern tritt lieber mit den Insignien des Erfolgsmenschen auf. Deshalb nähmen ihn Banker und Sponsoren auch ernst, meint er: "Wir sind gemeinnützig und haben eine dynamische Unternehmenskultur geboten, die die Leute beeindruckt." Später dann wird er über "Sozialneid" schimpfen und darüber, dass die deutsche Gesellschaft nicht verstehe, was moderne Sozialarbeit sei.

Nun ist es sicher richtig, dass die sozialen Dienstleister hierzulande recht bieder wirken im Vergleich etwa mit angelsächsischen Kollegen, die viel kommerzieller und peppiger daherkommen. Der Unterschied ist nur, dass in Deutschland mit Steuergeldern operiert wird und quasi ohne eigenes unternehmerisches Risiko. Stimmt gar nicht, ruft Ehlert nun dazwischen

Mit den Entgelten, die Berlin für bestimmte Leistungen zahle, müsse auch er unternehmerisch arbeiten. Nur mit den so erwirtschafteten Überschüssen - nicht mit Spenden - werde dann ein Dienstwagen gekauft.

Muss nicht, aber kann

Fragt man Ehlert, ob es denn sein muss, für so einen Schlitten so viel Geld zu verbrennen und dazu in einer Villa am Schwielowsee zu wohnen, galoppieren seine Finger auf der Tischplatte los. "Es muss nicht sein, aber es kann sein", sagt er. Die Villa habe er als Fortbildungsakademie erworben, man bilde dort Mitarbeiter aus, und zwar fünf Tage in der Woche. "Ich finde, eine Fortbildungsstätte für Leute, die hart arbeiten, darf auch schön sein", das sei wichtig fürs Selbstwertgefühl.

Er selbst wohne da eben auch, zur Miete. Und er gedenke von seinem Heim so wenig Abschied zu nehmen wie von seinem Chauffeur. Den Maserati hat er jetzt verkauft - nachdem seine Idee nicht so gut ankam, mit dem Wagen Touristen zu sozialen Brennpunkten der Stadt zu kutschieren.

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