Umsiedlung in Tokio:Olympia vertreibt japanischen Rentner zum zweiten Mal

Kohei Jinno, Tokio, Olympia

Bereits zum zweiten Mal innerhalb von einem halben Jahrhundert muss Kohei Jinno wegen Olympia sein angestammtes Quartier verlassen.

(Foto: AFP)

Jahrzehntelang lebte Kohei Jinno in seiner Wohnung. Nun baut Tokio für die Sommerspiele 2020 ein neues Olympiastadion - und der Rentner muss ausziehen. Jinno kennt das: Vor 50 Jahren war er dem größten Sportfest der Welt schon einmal im Weg.

Wenn Großes entstehen soll, muss Kleines mitunter weichen. Kohei Jinno war noch nicht einmal 30 Jahre alt, als er einen Brief von den Tokioter Behörden bekam. Sein Haus und sein Laden seien einem wichtigen Projekt im Weg: dem geplanten Olympiastadion für die Sommerspiele 1964. Mehr als ein halbes Jahrhundert später wird Japans Hauptstadt wieder Austragungsort des größten Sportfestes der Welt sein. Und erneut muss Kohei Jinno Platz machen.

Vier Milliarden US-Dollar wird Japan für olympische Infrastruktur wie Sportstätten, Athleten-Unterkünfte und das Pressezentrum ausgeben. Hinzu kommen 5,5 Milliarden Dollar für Straßenbauarbeiten und 1,3 Milliarden Dollar für das futuristische Olympiastadion, das auf dem Gelände der bereits bestehenden Sportarena gebaut und deutlich größer sein wird.

Dabei stört jedoch der Wohnkomplex, in dem Kohei Jinno lebt und einen kleinen Tabakladen betreibt. Die Verwaltung hat den mehr als 200 Menschen, die meisten sind älter als 70 Jahre alt, bereits Unterkünfte in anderen Wohnkomplexen angeboten.

Doch Kohei Jinno ist sauer. Gerade für ältere Menschen sei es schwierig, in einer anderen Umgebung Freundschaften zu schließen, sagt der 79-Jährige. Außerdem könne es sein, dass er an seinem neuen Wohnort keinen Laden eröffnen könne. "Damit würde ich meinen Lebensinhalt verlieren", so Jinno zur Zeitung Japan Times.

Für Jinno ist das ein Déjà-Vu-Erlebnis. Schließlich hat er vor etwa 50 Jahren das Ganze schon einmal erlebt. Damals schlug er sich als Autowäscher durch, 1966 zog er dann in die Wohnung, in der er bis heute lebt. Jinno will dort bleiben. Er schlägt vor, das Olympia-Budget lieber in den Nordosten von Tokio zu investieren. Die Gegend war durch den Tsunami im Frühjahr 2011 stark in Mitleidenschaft gezogen worden.

Die Stadt Tokio wird Kohei Jinno mit dieser Idee jedoch nicht von ihren Bauplänen abbringen.

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