Süddeutsche Zeitung

Umfrage zur Sicherheit in Verkehrsmitteln:100 Prozent der befragten Frauen in Paris berichten von sexueller Belästigung

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Übergriffe in Metro und Bussen

In den Vorortzügen, die vom Pariser Gare du Nord abfahren und von Massen von Pendlern benutzt werden, passiert es jeden Tag, sagen die Frauen die die französische Zeitung Le Monde befragt hat. "Gib mir deine Handynummer", "Wo steigst du aus?", "Wo wohnst du?". Das sind noch die harmlosesten Sprüche, die Frauen wie die 19-jährige Ophélie Seveque oder die 30-jährige Carla, die ihren Nachnamen nicht nennen will, zu hören bekommen. "Wenn du nicht antwortest, behandeln sie dich wie ein Arschloch", sagt Carla. "Und selbst wenn man den Platz wechselt, setzen sie sich so hin, dass sie dich weiter beobachten können", sagt Seveque. "Es ist traurig, aber das passiert jeden Tag."

Viele Frauen in Paris haben ein schlechtes Gefühl, wenn sie in Metros, Busse oder Züge einsteigen. Die Angst fährt häufig mit. Denn nicht immer bleibt es bei anzüglichen Bemerkungen oder lüsternen Blicken. Wie gravierend das Sicherheitsproblem im öffentlichen Nahverkehr der französischen Hauptstadt tatsächlich ist, hat jetzt eine Studie deutlich gemacht, die am Donnerstag veröffentlicht wurde.

60 Prozent fürchten, ausgeraubt zu werden

600 Personen hat der Hohe Rat für Gleichheit zwischen Männern und Frauen - ein Beratungsgremium der französischen Regierung - befragt. Alle, wirklich alle dieser Frauen gaben an, bereits mindestens einmal in Bussen oder Bahnen Opfer sexueller Belästigung geworden zu sein.

Besonders junge Frauen seien betroffen, 50 Prozent der befragten Teilnehmerinnen seien bereits vor ihrem 18. Geburtstag Belästigungen in öffentlichen Verkehrsmitteln ausgesetzt gewesen, hieß es in dem Bericht. 60 Prozent berichteten, dass sie fürchteten, in den Verkehrsmitteln überfallen oder ausgeraubt zu werden, während nur dreißig Prozent der Männer derartige Ängste äußerten. Vor allem Busse seien häufig Schauplätze sexueller Gewalt. Zudem seien Übergriffe am Tage häufiger als am Abend.

Experten fordern "nationalen Aktionsplan"

Die Regierung hat angesichts der dramatischen Ergebnisse des Berichts "entschiedene Maßnahmen" angekündigt, die bereits in den kommenden Wochen umgesetzt werden sollen. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Nahverkehrsmittel nicht genutzt werden könnten, "ohne behelligt zu werden", sagte Frankreichs Sozialministerin Marisol Touraine.

Die Experten aus dem Hohen Rat für Gleichheit fordern einen "nationalen Aktionsplan". Das "Schweigen" und stille Erdulden sexueller Übergriffe müsse "gebrochen" werden. Die Ratsvorsitzende Danielle Bousquet gestand ein, sie habe keine Vorstellung davon gehabt, dass die Lage für die Frauen "derart gravierend und erdrückend ist". Vor allem sei es notwendig, Frauen besser darüber zu informieren, wie sie das Sicherheitspersonal alarmieren können. Auch sei es empfehlenswert, den Bustransport durch mehr Wunschhaltestellen und dichtere Fahrpläne besser zu organisieren und so vor allem Alleinreisenden in der Nacht mehr Sicherheit zu bieten, hieß es in dem Bericht.

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