Als eine Mutter am Morgen in das Zimmer ihrer Kinder kommt, erleidet sie den Schock ihres Lebens: Ihr vierjähriger Sohn liegt mit nur noch einem Arm im Bett. Den anderen hat er sich nachts beim heimlichen Spielen an einer defekten Waschmaschine abgerissen. Dass er noch lebt, grenzt an ein Wunder.
Als sie den kleinen Jungen mit blutigem Stumpf entdeckt, rast sie sofort mit ihm in ein Krankenhaus nach Ulm. Erst dort kommt heraus, dass der abgetrennte Arm noch zu Hause im Eisschrank liegt - der ältere Bruder hat ihn dort nach dem Unfall versteckt. Eine Polizeistreife bringt das tiefgefrorene Körperteil in die Klinik, aber da ist es schon zu spät: Der Arm ist verloren.
Dennoch hat der Vierjährige Glück: Er ist nicht verblutet und schwebt seit Mittwoch nicht mehr in Lebensgefahr. Doch viele Fragen sind noch offen, vor allem warum niemand den schwerverletzten Jungen schreien hörte. Die Polizei ermittelt nun, ob jemand strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden muss. Bislang gebe es aber keinen Grund, an der Version der Familie zu zweifeln, sagte Sprecher Wolfgang Jürgens auf Anfrage von sueddeutsche.de
Nach deren Angaben waren die beiden Brüder in der Nacht zum Dienstag in die Küche gegangen. Dort stand die defekte Waschmaschine ohne Tür. Heimlich schaltete der Vierjährige diese an und griff in die sich drehende Waschtrommel. Der größte Teil seines linken Arms wurde abgetrennt.
Als der elfjährige Bruder den Unfall bemerkte, packte er kurzerhand das Körperteil und steckte es in die Gefriertruhe. Den Bruder brachte er ins Bett - ohne Arm. Die Mutter wachte nicht auf, weil sich die Kinder offensichtlich absolut ruhig verhielten. Warum sie das taten, dafür gibt es bislang keine schlüssige Erklärung.
Womöglich stand der Bub unter Schock, sagte Jürgens. Die Polizei wolle sich an Mutmaßungen aber nicht beteiligen. Jörg Portius, Pressesprecher der Ulmer Uniklinik, erklärte der Südwestpresse, Menschen, die unter Schock stünden, könnten Schmerzen unterdrücken. Dieser Zustand halte aber nicht über längere Zeit an.
"Das Gewebe war bereits zerstört"
Zudem ist unklar, warum sich die Waschtrommel überhaupt in Bewegung setzte, obwohl die Tür nicht geschlossen war. Vieles deutet auf einen technischen Defekt hin, ein Gutachter soll nun die genaue Unfallursache klären. Mit einem Ergebnis sei aber erst in einigen Wochen zu rechnen, sagte Polizeisprecher Jürgens. Weitere Informationen zur Herkunft des Jungen halten die Beamten zurück, um die Familie zu schützen.
Laut Polizei bemerkte die Mutter den Unfall erst neun Stunden danach - zu spät, um den Arm wieder annähen zu können. "Das Gewebe war bereits zerstört", erklärte Portius. Dass der Junge nicht verblutet ist, könnte auf eine körperliche Reaktion des geschockten Kindes zurückzuführen sein, die die Blutung stoppte. Die Blutgefäße könnten sich geschlossen haben, mutmaßte ein Unfallchirurg im Südwestrundfunk.
Womöglich sei der Junge auch nachts auf dem Armstumpf gelegen und habe so die offene Wunde zugedrückt. Zudem könnte die Blutgerinnung dazu beigetragen haben, dass sich kleine Adern nach einiger Zeit geschlossen haben. Ob der ältere Bruder eine Art Notverband anlegte, ist nicht bekannt. Bei derart schweren Verletzungen sinkt der Blutdruck oft stark ab, damit das Herz nicht mehr so viel Blut aus der Wunde drückt.