Überschwemmungen in der Türkei:"Wie ein Tsunami"

Aufräumen nach den Springfluten in Istanbul: Mit schwerem Gerät sollen nach den heftigen Unwettern die Straßen freigeräumt werden. Noch ist unklar, ob bereits alle Toten geborgen wurden.

Nach der schwersten Unwetter-Katastrophe seit Jahrzehnten haben im Großraum Istanbul die Aufräumarbeiten begonnen. Die Behörden setzten schwere Baumaschinen ein, um die von den Fluten weggespülten Fahrzeuge zu bergen und Straßen wieder passierbar zu machen, berichteten türkische Medien.

Gouverneur Muammer Güler erklärte dem Sender Habertürk zufolge, die Gefahr einer neuen Katastrophe sei noch nicht gebannt. Am Freitag und am Wochenende seien neue sintflutartige Regenfälle zu erwarten. In seiner 37-jährigen Laufbahn habe er so etwas noch nie erlebt, sagte Güler: "Allah stehe uns bei."

Nach neuen Regenfällen in Istanbul ist in der Nacht zum Donnerstag ein achtstöckiges Wohnhaus in der türkischen Metropole wegen Einsturzgefahr geräumt worden. An dem Haus im europäischen Teil Istanbuls seien Risse entdeckt worden, meldete der Fernsehsender CNN-Türk. Auch in anderen Istanbuler Stadtteilen gab es wieder Überschwemmungen.

Unterdessen räumten türkische Politiker Versäumnisse ein. Die weitverbreitete Duldung illegaler Bautätigkeiten habe die Lage verschlimmert. In den Springfluten waren am Dienstag und Mittwoch im Großraum Istanbul mindestens 31 Menschen ums Leben gekommen.

Für das Unglück seien Menschen verantwortlich, nicht die Natur, sagte der Oberbürgermeister von Istanbul, Kadir Topbas. Er forderte größere Sorgfalt bei der Auswahl von Standorten für Bauten. Experten hatten kritisiert, es sei auch in Flussbetten gebaut worden. In anderen Ländern hätten Regenstürme nicht solche Folgen, sagte Transportminister Benali Yildirim. In der Türkei würden erst illegal Wohngebäude errichtet, dann werde die nötige Infrastruktur gebaut. Bürger und Behörden hätten Fehler gemacht.

Eine Katastrophe

Die Umweltorganisation WWF verwies auf den Zustrom aus verarmten ländlichen Regionen in die 15-Millionen-Metropole, der zu einem nahezu unkontrollierten Häuserbau geführt habe. "Der Regen kann nicht auf natürlichen Wegen zum Meer abfließen - und das liegt an einer schiefen und planlosen Entwicklung sowie einer unzureichenden Infrastruktur", sagte der Direktor der türkischen WWF-Sektion, Filiz Demirayak.

24 Menschen starben allein im Stadtgebiet von Istanbul, hatten die Behörden am Mittwoch mitgeteilt. Medien berichteten, das Wasser sei "wie ein Tsunami" gekommen. Türkische Fernsehsender zeigten dramatische Bilder von Menschen, die in den Fluten ums Überleben kämpften. Autos und Kleinlaster wurden weggespült oder trieben im Wasser. Mehrere Hauptstraßen und zwei Autobahnen Richtung Griechenland und Bulgarien waren zeitweise unpassierbar.

In einigen Teilen der Nordwest-Türkei waren die stärksten Regenfälle seit Jahrzehnten gemessen worden. Seit Dienstag waren pro Quadratmeter 220 Liter Wasser niedergegangen, teilten die Behörden mit. Im ganzen September habe es im Schnitt der vergangenen Jahre jeweils 35 Liter pro Quadratmeter geregnet. Der türkische Meteorologe Mehmet Caglar sagte, solche ungewöhnlich heftigen Regenfälle seien eine Folge des Klimawandels.

Die Fluten hatten die Bewohner am frühen Morgen überrascht, als viele Istanbuler auf dem Weg zur Arbeit waren. Polizisten waren in Bereitschaft, um die Plünderung von überschwemmten Geschäften zu verhindern. Durch die Regenfälle traten zwei Flüsse bei Istanbul über die Ufer. In Teilen des Stadtviertels Ikitelli im europäischen Teil ging die Flut bereits wieder zurück. Für den Donnerstag wurden aber weitere Niederschläge vorhergesagt.

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