Auf der Domplatte ist es windig. Das ist immer so. Jetzt ist es auch noch kalt geworden, ein Wetter zum Krankwerden. Die Mutter mit den roten Haaren bewegen am frühen Morgen andere Sorgen auf dem Platz vor dem Kölner Hauptbahnhof. "Komm, Laura, komm, bleib' nah bei mir", sagt sie zu ihrer Tochter und zieht sie an sich. "Hier wurden Frauen von 1000 Männern ..." Der Rest des Satzes verliert sich im Wind.
Das, was in der Silvesternacht mitten in ihrer Stadt passiert ist, hat sich in den Köpfen vieler Kölner festgekrallt. Bei den Senioren, die schon mittags im Kaufhof-Untergeschoss an ihren Sektgläsern nippen, sind die Übergriffe Thema. Sie haben Angst vor dem Islam. Die jungen Frauen, die vor einem Café in einem Kölner Szeneviertel frierend rauchen, sprechen darüber, was sie von Freundinnen über die Schreckensnacht gehört haben.
Selbst die Mitarbeiter im Dom reden davon, obwohl ohne das Plazet des Domprobsts niemand Reportern Auskunft geben soll. Auch wenn sich die Szenen direkt vor den Pforten der Kathedrale abgespielt hätten, bekäme man in dem Gotteshaus nichts mit. Außerdem war der Dom um Mitternacht leer und verschlossen. Ohnehin gelte ja stets: "Im Dom herrscht der Friede."
"Hauptstadt der Taschendiebe"
Im sonst so lebenswerten Köln grassiert Kriminalität, das ist seit langem bekannt. Bundesweit dominiert die Domstadt in den Statistiken mit Berlin, Hamburg und Frankfurt am Main. Die Kölnische Rundschau schrieb von der "Hauptstadt der Taschendiebe", als 14 059 derartige Delikte für 2014 verzeichnet wurden.
Auch Diebstahl und sexuelle Übergriffe in Kombination sind in der Stadt nichts Neues. Von "Antänzern" spricht man. Eine Masche, die in Bars und Klubs der Stadt gängig ist. Nur das Ausmaß der Silvesternacht - das gab es bislang nicht. Auch nicht am Brennpunkt Hauptbahnhof.
Im Gaffel am Dom, dem Brauhaus auf der anderen Seite des Bahnhofsplatzes, hat man in der Vergangenheit manch unschöne Dinge mitbekommen. "Aber so etwas gab es nie", sagt ein Kellner. In der Schwemme sammeln sich die Mitglieder eines Karnevalsvereins zur Probe. Uniformen werden glatt gezogen und Perücken zurechtgezuppelt. Er sei völlig überrascht, sagt ein Mann mit buntem Wams. Allerdings gebe es gerade während des Karnevals viele Diebstähle, weil so viele Leute "stänevoll" - total betrunken - seien.