Süddeutsche Zeitung

Übergriffe an Silvester:Die Kölner Polizei will nicht versagt haben

Die Zahlen sprechen aber eine andere Sprache - und es ist nicht das erste Mal, dass Kölner Polizisten einer eskalierenden Situation machtlos gegenüberstehen.

Von Bernd Dörries, Köln

Der Polizeibericht vom Neujahrsmorgen spricht von einem fröhlichen Silvester. "Ausgelassene Stimmung - Feiern weitgehend friedlich", so meldete es die Kölner Polizei am Freitagmorgen. Zu der Situation am Kölner Hauptbahnhof kein Wort. Am Dienstag nun spricht Polizeipräsident Wolfgang Albers von einem "Fehler". Meint damit aber nur den voreiligen Polizeibericht. Sonst sei alles gut gelaufen an Silvester, die Polizei habe die Lage leider erst spät erkennen können. Dann aber konsequent gehandelt.

Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Etwa neunzig Anzeigen sind bisher bei der Kölner Polizei eingegangen. Von Frauen, die in der Silvesternacht vor dem Hauptbahnhof sexuell angegriffen wurden. Denen mit der Hand in den Schritt gegriffen wurde, die von mehreren Männern umringt wurden. Ein Opfer wurde vergewaltigt.

Keine Hinweise auf eine Beteiligung von Flüchtlingen

Neunzig Opfer also und keine Täter. "Wir haben bisher keine Verdächtigen", sagt Polizeipräsident Albers. Den Frauen falle es schwer, die Täter zu beschreiben. Die seien aber aller Wahrscheinlichkeit aus dem "nordafrikanischen und arabischen Raum". Das anzusprechen gehöre zur Wahrheit dazu, sagt der Polizeipräsident. "Wir dürfen aber nicht spekulieren", sagt Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Ein frommer Wunsch.

Im Netz tobt seit Tagen die Debatte. Die AfD höhnt, dass Deutschland nun die bunte Gesellschaft bekomme, die Merkel sich gewünscht habe. Die Rechtsextremen wollen nicht nur die Täter vom Hauptbahnhof nach Hause schicken. Sondern alle Flüchtlinge gleich mit.

Die Kölner Polizei aber sagt, sie habe keinerlei Hinweise darauf, dass die Täter Flüchtlinge seien. Nichts spreche dafür, dass Personen mit Asyldokumenten, die in der Tatnacht am Bahnhof kontrolliert wurden, etwas mit der Tat zu tun hatten. Vielmehr gebe es viele Indizien darauf, dass die Täter aus der organisierten Kriminalität kommen, also zu Gruppen gehören, die in Köln seit Jahren Passanten antanzen, damit ablenken und dann ausrauben. Opfer waren bisher vor allem Männer.

Die Polizei war offenbar machtlos - mal wieder

Am Kölner Hauptbahnhof traf es nun vor allem Frauen. "Die Sexualdelikte, die angezeigt wurden, stehen in Zusammenhang mit Eigentumsdelikten", sagt der Polizeipräsident. Die Polizei war vor Mitternacht erst auf eine Gruppe von etwa 1000 alkoholisierten jungen Männern aufmerksam geworden, die sich vor dem Bahnhof gegenseitig mit Feuerwerkskörpern beschossen hatten.

Als der Platz geräumt wurde, zerstreute sich die Gruppe, Teile begannen, auf Frauen loszugehen. Was die Polizei nicht verhindern konnte. Wegen der Dunkelheit und der unübersichtlichen Situation, sagt der Polizeipräsident. In Köln fühlen sich aber viele an die Situation vor etwa einem Jahr erinnert, als die Polizei von den Hooligans gegen Salafisten überrannt wurde, als 5000 Hools die Stadt für ein paar Stunden in ihrer Gewalt hatten.

"Es darf keine Angsträume geben", sagt Reker nun. Die Stadt läuft sich für den Karneval warm. Es wird mehr Polizeipräsenz geben, mehr Videoüberwachung. Ein interessantes Konzept in Zeiten, da fast die ganze Stadt verkleidet ist.

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