Süddeutsche Zeitung

Mode und Popkultur in den USA:Großkotzigkeit durch Understatement

In den USA liegen scheinbar unscheinbare Baseball-Caps ohne Logos im Trend. Welche Botschaft sie verbreiten und was die TV-Serie "Succession" damit zu tun hat.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

If you know you know. Das ist ein oft gesagter Satz in den USA - wobei: Man muss das nicht mal sagen, es genügt oft ein Zwinkern oder Nicken, um auszudrücken: Weißte Bescheid, ne? So ist das auch in der bitterbösen und deshalb brillanten TV-Serie "Succession": Wer nicht Bescheid weiß, der hält die einfarbigen Baseballcaps von Logan und Kendall und Shiv, die sie darin tragen, für ziemlich langweilige Accessoires, abgestaubt vielleicht im Second-Hand-Laden.

Nur, if you know you know: Kendalls scheinbar unscheinbare Mütze zum Beispiel gehört zur Kollektion von Brunello Cucinelli und kostet 395 Dollar. Oder dieses Cap des Labels Loro Piana aus Vikunja-Wolle: 1395 Dollar. Klar, kann schon mal eine Mütze von New Era 59FIFTY dabei sein, aber dann schon die für 88 Dollar. Eingeweihte wissen das sofort.

Proletariat, Proll, Protz, Prahlerei - so geht die Evolution der Baseballkappe

Großkotzigkeit durch Understatement - das ist die Abkehr von den Yuppie-Knalltüten in Bret Easton Ellis' bitterbösem und deshalb brillanten Roman "American Psycho", die sich ihrer Männlichkeit anhand von Material, Schriftsatz und der Tinte ihrer Visitenkarten versichern. Es ist aber auch eine weitere Entwicklung der Baseballkappe, von Proletariat über Proll, Protz und Prunk zu dieser stillen Art von Prahlerei.

Das Baseballcap ist in den USA traditionell das Erkennungsmerkmal des Arbeiters; auch in Filmen sind die einfachen Leute daran zu erkennen, dass sie Mützen tragen - zum Beispiel Haijäger (Robert Shaw 1975 in "Der weiße Hai"), Bohrinsel-Schufter (Matt Damon 2021 in "Stillwater") oder Trucker wie Sylvester Stallone 1987 in "Over the Top", der dazu noch die recht lächerliche Metapher liefert, dass das Umdrehen der Mütze dem Start eines Lastwagens gleiche.

Früher zeigte das Cap nur die Zugehörigkeit zu Sportverein oder Highschool-Team oder die Mitgliedschaft in Gangs an, die Jungs der Rap-Combo N.W.A zum Beispiel trugen Mützen der LA Raiders. Und natürlich war das Baseballcap das Beweisstück deutscher Urlauber, dass sie in New York (Yankees) oder LA (Dodgers) gewesen sind.

Es gab dann Anfang der Nullerjahre ein Intermezzo der Bling-Bling-Caps der Money- und Möchtegern-Money-Menschen, sehr zu empfehlen in diesem Zusammenhang die Doku "The Curse of Von Dutch: A Brand to Die For" über das entsprechende Modelabel. Außerdem kurz auf der Bildfläche: Hipster-Schaummützen mit semiironischen Sprüchen, bekannt durch Judah Friedlander in der Serie "30 Rock"; mittlerweile trägt der Komiker Mützen mit Sprüchen in Gebärdensprache.

Die Renaissance der Arbeiter-Zugehörigkeits-Caps war das geniale Marketinginstrument der Präsidentschaftskandidatur von Donald Trump im Jahr 2015: Die rote Mütze mit der Make-America-Great-Again-Aufschrift für 15 Dollar suggerierte: Ich bin einer von euch. Natürlich spülte der Verkauf Millionen Dollar in seine Wahlkampfkasse, und genau das soll wieder passieren. Kein Zufall, dass es eine neue Mütze gibt, die Trump selbst designt haben will. Sie sieht der alten verblüffend ähnlich, und sie sendet die Botschaft aus: Ich trete wieder an.

Von Trump zu "Succession" ist es freilich nur ein kleiner Schritt: Die Serie ist unter anderem inspiriert von Rupert Murdoch, dessen Medienimperium, vor allem der TV-Sender Fox News, noch immer Hofberichterstatter und damit wichtigstes Kampagnenwerkzeug für Trump ist. Nur, und darin liegt die Genialität der Baseballcaps ohne Logo: Trump, der Proll mit den schlecht sitzenden Anzügen, wäre als waschechter New Yorker so gerne Teil der Society und versucht es seit Jahrzehnten - erfolglos, weil er das großkotzige Understatement nicht kapieren würde.

Die Mützen ohne Logos aus "Succession" stehen übrigens in einem größeren Zusammenhang. Chuck Palahniuk schrieb bereits 1996 in seinem bitterbösen und deshalb brillanten Roman "Fight Club", wie lächerlich es ist, eine Unterhose mit dem Namen eines anderen Mannes darauf zu tragen. Weitere Fälle von Understatement-Prahlerei: statt eines Lamborghini einen unscheinbaren Retro-Ford-Bronco zu fahren - aber in der Luxusversion für 150 000 Dollar. Oder diese einfach-schwarzen Sneaker von Maison Margiela für 795 Dollar. Der hellgraue Rocky-Balboa-Jogginganzug von Loro Piana für 2995 Dollar; den gibt es übrigens auch von Olivia von Halle, für 1460. Oder eben die Mützen in "Succession".

Der teuerste Herrenausstatter der Welt, auf dem Rodeo Drive dort zu finden, wo der gelbe Bugatti parkt (von dem deutsche Touristen mit Dodgers-Mütze so gerne Bilder machen), heißt übrigens Bijan. Wie, nie gehört? Nun ja: If you know you know.

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