TV-Karriere für Ex-Kreml-Agentin:In öffentlicher Mission

"Mein Name ist Anna Chapman und ich werde alle Geheimnisse aufdecken" - mit diesen Worten debütiert die als "russisches Bond-Girl" bekannt gewordene Ex-Spionin Chapman als Fernsehmoderatorin beim russischen Privatsender REN-TV.

Viel Erotik, dramatische Musik, schnelle Schnitte: Mit einer Breitseite auf die Gefühle der Zuschauer hat Russlands prominente Ex-Agentin Anna Chapman erstmals ihre TV-Show präsentiert. Mit schulterlangen roten Haaren, schwarz lackierten Fingernägeln und einem rot-schwarzen Minikleid moderierte die 28-Jährige zur besten Sendezeit das einstündige Magazin Geheimnisse der Welt mit Anna Chapman. Im Mittelpunkt der mit Spannung erwarteten Sendung standen mysteriöse Wundmale eines Kleinkindes aus Dagestan - und natürlich die zur Pop-Ikone aufgestiegene Ex-Geheimdienstlerin selbst.

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Es musste so kommen: Die fotogene Ex-Kreml-Spionin Anna Chapman, die nach ihrer Enttarnung in den USA zu einer Art Pop-Ikone aufgestiegen ist, moderiert nun im russischen Privatfernsehen eine eigene Show.

(Foto: AFP)

Moskaus Boulevardpresse fand das Debüt gelungen und jubelte: "Sie kann es!" "Ich heiße Anna Chapman", mit diesen Worten begann die junge Frau ihre Personality-Show - ganz so, als werde sie sieben Monate nach ihrer spektakulären Enttarnung in den USA nicht ständig zwischen St. Petersburg und Wladiwostok als Glamour-Sternchen vorgestellt. Vor allem Regierungschef und Ex-KGB-Offizier Wladimir Putin gilt als Unterstützer der früheren Kreml-Spionin.

In einem abgedunkelten Studio sitzend, moderierte Chapman die einzelnen Beiträge insgesamt souverän an. Mehrmals unterbrachen Werbespots für Bier oder Shampoo am Freitagabend die "Übersinnlichkeits-Show", die an Sendungen im deutschen Fernsehen mit Erich von Däniken oder Uri Geller erinnerte.

Die Ex-Spionin war Ende Juni 2010 zusammen mit neun weiteren Mitgliedern eines russischen Spionagerings in den USA festgenommen worden. Knapp zwei Wochen später kehrte sie im Zuge eines Agentenaustauschs nach Russland zurück. Die attraktive Chapman machte Schlagzeilen als "femme fatale" und ließ sich nach ihrer Rückkehr in Dessous für ein russisches Männermagazin ablichten. Sie trat mehrfach im russischen Fernsehen auf und erhielt einen Spitzenposten in der Kreml-nahen Jugendorganisation Junge Garde. Mit Aussagen über ihre Spionage-Aktivitäten in den USA hielt sie sich bislang sehr zurück.

Beobachter werten ihr Magazin als weiteren Schritt hin zu einer politischen Karriere. Zwar ist die Chapman-Show für westliche Sehgewohnheiten kaum besonders spannend. Aber viele Russen, die traditionell abergläubisch und zudem die dröge Staatspropaganda im Fernsehen leid sind, dürften sich an der recht erfrischenden Moderation erfreut haben. Die vorproduzierte Sendung im Kanal REN TV, an dem die russische Tochter der RTL Group mit 30 Prozent beteiligt ist, soll jeden Freitag ausgestrahlt werden.

Die in Wolgograd, dem ehemaligen Stalingrad, geborene Anna Wassiljewna Kuschtschenko trägt seit einer mittlerweile geschiedenen Ehe mit einem Briten einen englischen Nachnamen.

Ein Zuschauermagnet verspricht die nächste Folge zu werden: Dann soll Chapman in der Ostsee-Exklave Kaliningrad, dem früheren Königsberg, das sagenhafte Bernstein-Zimmer suchen. Der Historiker Sergej Trifonow kündigte neue Hinweise auf den seit 1945 verschollenen Zarenschatz an.

Bei ihrem Debüt verließ Chapman erst kurz vor Schluss der Sendung das Studio. Bemüht lasziv zog die oft als "Agentin 00Sex" bezeichnete Ex-Spionin vor einer Moskauer Moschee ihre hochhackigen Schuhe aus und "interviewte" einen Imam - mit Schmollmund und eingehüllt in ein elegantes weißes Kopftuch.

"Sie lernt schnell", schwärmte REN-TV-Sprecher Michail Tukmatschow, Skeptiker sehen das anderes. "Der Kreml hat wohl entschieden, dass das Land solche Helden braucht", meinte die regierungskritische Zeitung Nowaja Gaseta. Es gebe schon genug TV-Magazine über Blut weinende Statuen und mysteriöse Schneemenschen. "Ich werde alle Geheimnisse aufdecken", kündigte Chapman vollmundig im Vorspann ihrer Show an - doch bereits in den USA bewies sich dies als leeres Versprechen. Nach Angaben russischer Medien funkte "Spionin 90-60-90" bis zu ihrer Enttarnung kein einziges US-Geheimnis nach Moskau.

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