Süddeutsche Zeitung

TV:Heiße Hausfrauen

Lesezeit: 3 min

Die anzügliche US-Serie "Desperate Housewives" signalisiert das Ende des Reality-TV.

Von Andrian Kreye

Eine gehörige Portion Wunschdenken ist schon dabei, wenn die amerikanischen Kritiker in diesen Tagen zusammen mit den Erfolgsmeldungen über die Serie Desperate Housewives auch gleich das Ende des Reality-TV verkünden. Bis vor kurzem waren ja noch die Abenteuershow Survivor und Donald Trumps Jobkillerserie The Apprentice die großen Quotenchamps. Den Rang hat ihnen Desperate Housewives nun abgelaufen - und sogleich fünf Nominierungen für den begehrten TV-Preis Golden Globe eingesackt. Ein Fernsehereignis vom Kaliber Dallas sei das, schrieb Newsweek über die "heißesten Hausfrauen".

27 Millionen Amerikaner schauen wöchentlich zu, wie sich Verzweifelte Hausfrauen, was im Englischen auf eine recht bürgerliche Herrenfantasie anspielt, in der heilen Scheinwelt der Suburbia zwischen neurotischer Verzweiflung und verzweifelter Lust leben. In der Wisteria Lane, dem Spielort, tun sich in der heiligen Mittelschicht tiefe Abgründe auf. Das frühere Model Gabrielle geht mit dem 17-jährigen Gärtner fremd. Susan, nymphoman, legt einen Brand am Haus der Rivalin. Lynette schluckt Pillen, die eigentlich für ihre hyperaktiven Kinder bestimmt sind. Super-Mama Maisy bietet sich nebenbei den Männern im Viertel an und fliegt auf, weil bei Sado-Maso-Praktiken ihr Gespiele - der Ehemann von Bree - einen Herzinfarkt bekommt.

So also ludern sich Amerikas brave Bürger durchs Leben. In Folge drei etwa treffen sich die vier Protagonistinnen im Alter von 40 zu einer Dinnerparty - und Rex Van De Kamp platzt mitten in den gepflegten Smalltalk mit dem Geständnis, er und seine Frau Bree würden sich einer Partnertherapie unterziehen. Um den peinlichen Moment zu verdrängen, überbieten sich die Gäste plötzlich mit Geständnissen, wobei die Zuschauer natürlich immer ein bisschen mehr wissen über Affären, Lügen und Süchte, bis Bree schließlich verkündet: "Nach dem Ejakulieren muss Rex immer weinen."

Das sind natürlich drastische Worte für die Hauptsendezeit am heiligen Sonntag und das auch noch auf dem Sender ABC, der zum angeblich porentief reinen Familienkonzern Disney gehört. Aber genau diese Art neurotischer Sex ist auch ein Grund, warum Desperate Housewives derzeit die besten Einschaltquoten meldet. Es ist kein Zufall, dass die Vorstadt-Soap am Sonntagabend um 21 Uhr läuft - das war der angestammte Sendeplatz von Sex and the City auf dem Bezahlsender HBO, der in den letzten Jahren mit Serien wie The Sopranos oder Six Feet Under qualitative Standards gesetzt hat, die wie ein Fels aus der Reality-Brandung herausragten.

Vor den verzweifelten Hausfrauen gab es deswegen zunächst einmal verzweifelte Senderchefs, die mit jeder neuen Saison immer neue Serien in den Sand setzten. Nach dem Ende der Serie Friends wurde schon das Ende der Sitcom ausgerufen. Lediglich Krimiserien wie CSI schienen noch Quote zu machen. Für ABC war es deswegen durchaus ein Risiko, dem Desperate-Housewives-Erfinder Marc Cherry die Serie abzukaufen. Cherry hatte zwar einst an der Erfolgsserie Golden Girls mitgearbeitet, doch seither keinen Hit mehr vorzuweisen. Die Konkurrenzsender CBS, NBC und Fox hatten schon abgewinkt, HBO dagegen fand die Bücher zu brav.

Die Idee für die Vorstadthöllenexkursion wurde dem Autor frei Haus von seiner Mutter Martha geliefert. Cherrys Melange bedient sich schamlos bei vielen Vorbildern: Gleich in der ersten Sendung begeht die vermeintliche Hauptfigur Mary Alice Selbstmord, dessen Auflösung sich dann ähnlich wie der Unfalltod des Patriarchen in Six Feet Under wie ein roter Faden durch die Serie zieht. Aus dem Off, also im Himmel, kommentiert Mary Alice das Treiben in ihrer alten Kolonie. Die peinlichen Verwicklungen erinnern an Larry Davids neurotische Odysseen in Curb Your Enthusiasm. Und dass Sex and the City geplündert wird, versteht sich von selbst. Bei so viel nacktem Fleisch im regulären Fernsehen ersparen die Skandale viel Werbung.

Das Konzept ist aufgegangen. Lynne Cheney, Frau des Vizepräsidenten, persönlich hat gewarnt: Man solle die Kinder doch fortan am Sonntagabend vom Fernsehen fernhalten. Dann ließ die unbekleidete Hausfrauendarstellerin Nicollette Sheridan in einem Werbespot für die National Football League in einer Umkleidekabine ihr Handtuch für den Fänger Terrell Owens fallen, was so viel Ärger gab, dass sich die NFL eilig bei den Sportfans entschuldigte, die sich erst bei den Feierlichkeiten zum Ende letzten Spielzeit schon über Janet Jacksons bloße Brust ereifert hatten.

"Ich frage mich, ob Walt Disney darauf stolz gewesen wäre", wütete Michael Powell, konservativer Chef der Medienaufsichtsbehörde FCC. Hinter solchen Skandalen stehen die Publicity-Interessen der Skandalträger, die die prüde Stimmung in fundamentalistischen Bundesstaaten nutzen. Pikanterweise erzielt die Serie gerade in republikanischen Hochburgen wie Atlanta Top-Werte - und entlarvt so den "Kulturkampf" des George W. Bush als Heuchelei.

Jetzt mehren sich auch noch die Gerüchte, dass die vier Hauptdarstellerinnen über ein Angebot des Playboy sinnen, der ihnen jeweils zwei Millionen Dollar dafür bezahlen will, dass sie sich ganz offen auf den Seiten des Herrenmagazins frei machen. In Deutschland hat die ProSieben Sat1 Media AG die Rechte gekauft; nächste Woche entscheidet das Management des Privat-TV-Konzerns, ob die Serie im Familiensender Sat1 oder doch auf dem nicht minder libidinösen Kanal Pro Sieben läuft, der ja schon aus Sex and the City eine Dauerbelustigung gemacht hat. Der Pay-Sender Premiere zeigt den US-Hit bereits.

Doch wie immer, wenn die großen Networks in Amerika die Erfolge der mutigen Kabelsender kopieren, bleiben die Ambitionen auf halber Strecke liegen - und so verhält sich die frivole Vorortsaga zur frechen Großstadtserie rund um Carrie & Co. wie ein Moped zur Rennmaschine. Ein bisschen vibrieren tut's schon, aber so richtig losgehen will das nicht.

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