TV-Dreiteiler:Spur in den Abgrund

Wie könnnen Sexualstraftäter früher erkannt werden? Wie kann man die Gesellschaft schützen? Der ZDF-Film "Die Maske des Bösen" sucht Zugang zur Psyche von Sexualstraftätern. Für die Zuschauer ist die Deutlichkeit manchmal schwer zu ertragen.

Von Hans Hoff

Wenn man es sich im deutschen Fernsehen leicht machen will, dreht man besser keine Dokumentarfilme über Sexualstraftäter. Zu groß ist die Gefahr, zu straucheln beim Versuch, in die Psyche der Täter vorzudringen, zu leicht sieht man sich dem Vorwurf ausgesetzt, man habe sich zu sehr auf die Täter konzentriert und die Opfer vergessen.

TV-Dreiteiler: Wie kann man die Gesellschaft vor Sexualstraftätern schützen? Der Film sucht nach Antworten.

Wie kann man die Gesellschaft vor Sexualstraftätern schützen? Der Film sucht nach Antworten.

(Foto: Foto: ddp)

Die Gefahr wächst an Tagen wie diesen, da wieder viel die Rede ist von einem mehrfachen Kindermörder. Der Autor Gunther Scholz hat sich trotzdem auf heikle Mission begeben und dem ZDF eine dreiteilige Dokumentation zum Thema geliefert.

Erst einmal geht es ganz furchtbar los. Wie in jedem Kapitel schwenkt die Kamera auch zum Start über eine Gefängnismauer und verweilt beim Blick auf die Anstalt, in der jene gebessert werden sollen, die viele für unverbesserlich halten. Dann Bilder von Tätern, die abgeführt werden, von Tatorten, von Opfern.

Irgendwann kommt eine umwölkte Fratze ins Spiel und die Stimme des österreichischen Kriminalpsychologen Thomas Müller, die betont, dass Sexualstraftäter eben nicht so gruselig daherkommen, mit gelben Augen und einer Fratze. Vielmehr sehen sie völlig normal aus, gewöhnlich ahnt niemand in ihrem Umfeld, was in ihnen vorgeht.

Müller ist eine wichtige Figur in dieser Dokumentation, denn er formuliert eine zentrale These. Er möchte die Tatorte stärker sprechen lassen. Er will, dass Therapeuten sich bei der Behandlung der Täter weniger von dem leiten lassen, was die Patienten schildern, sondern vielmehr deren Erzählungen abgleichen mit den Aussagen, die aus der Tatortanalyse herzuleiten sind.

"Es ist nicht entscheidend, was jemand sagt, sondern was er tut. Und das finden wir am Tatort", sagt Müller. Er beklagt, dass im Laufe von Verhandlungen oft verloren gehe, was wirklich geschehen sei, dass manche Therapeuten nicht einmal wissen wollten, was ihre Patienten wie getan haben.

Bemerkenswerter Ansatz

Der Kongruenz von Aussage und Tatortanalyse komme allergrößte Wichtigkeit zu, wenn es darum geht, eine Gefährlichkeitsbeurteilung zu erstellen - die möglicherweise eine Freilassung zur Folge hat.

Es ist ein bemerkenswerter Ansatz, den der Autor da präsentiert. Leider macht er es extrem schwer, diesen Ansatz aus dem Wust an Material zu destillieren, denn zwei Teile lang setzt er dem Zuschauer eine gelegentlich leicht wirre Montage vor, eine krude Mischung aus Tatbeschreibungen, Täterinterviews und nachgestellten Taten.

Schwer erträglich in ihrer grausamen Deutlichkeit sind manche Täteraussagen. Auf Müllers Frage, was es denn für ein Anblick gewesen sei, eine grausam zugerichtete Frau in ihrer Qual kurz vor dem Tod zu beobachten, antwortet der Täter: "Ein schöner Anblick."

Ein winziges bisschen

Auch andere, vom Täter nüchtern vorgetragene Detailschilderungen erschließen sich erst im Nachhall, wenn das Gehirn zu den Worten Bilder malt. Trotzdem bieten diese Szenen wenigstens ab und an Erkenntnisse und öffnen die Psyche der Täter, wenn auch wahrscheinlich nur ein winziges bisschen.

Wirklich übel geraten sind allerdings die vor allem im ersten Teil nachgestellten Taten. Sie erinnern in den wenigen erträglichen Momenten an die stümperhaften Einspielfilme von Aktenzeichen XY...ungelöst, sind in der Regel aber einfach nur geschmacklos und überflüssig.

Erst im dritten Teil wird wirklich deutlich, dass es darum geht, in die Psyche der Täter vorzudringen, was streckenweise gelungen scheint. Insofern hat derjenige, der erst übermorgen einschaltet, nicht unbedingt viel verpasst. Was natürlich die Frage aufwirft, ob es statt eines verworrenen Dreiteilers nicht auch eine erweiterte Einzelfolge getan hätte.

Die Maske des Bösen - Sexualstraftätern auf der Spur, ZDF, 22.45 Uhr, Teile 2 und 3 Mittwoch 22.45 Uhr und Donnerstag 23 Uhr

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: