Türkische Brause:Voll die korrekte Cola

In der Türkei hat ein Brausegetränk nach eigener Rezeptur den Markt erobert, antiamerikanische Gefühle beflügeln den Erfolg.

Von Christiane Schlötzer

Der amerikanische Komiker Chevy Chase ist der neue Star des türkischen Fernsehens, und dies alles wegen eines Werbespots. Chase spielt in dem Streifen einen bulligen US-Bürger namens Johnny, wie alle Amerikaner von den Türken gerne genannt werden.

Auf dem New Yorker Times Square sieht Johnny erst in ihre Nationalflaggen gehüllte Türken, die den Sieg ihrer Fußball-Nationalmannschaft feiern, dann betritt er eine Bar und wird von einem Kumpel mit Cowboyhut auf türkisch angequatscht.

Der Cowboy trinkt aus einer Dose "Cola Turka" und will die Rechnung für den Ankömmling bezahlen, wie es Türken höflichkeitshalber eben tun. In einem weiteren Spot kostet Chase selbst die türkische Brause - und da wächst ihm plötzlich ein Schnurrbart unter der Nase.

Inzwischen trinken viele Türken Cola Turka, ohne dass ihnen neue Barthaare sprießen. Dafür aber wachsen die Umsätze des türkischen Lebensmittelkonzerns Ülker, der die Konkurrenz zu Coca Cola just an jenem Tag erstmals mit seinen Filmchen bewarb, als amerikanische Truppen im Nordirak elf türkische Soldaten festnahmen.

Der Vorfall befeuerte die seit dem Irak-Krieg ohnehin starken antiamerikanischen Gefühle in der Türkei.

"Positiver Nationalismus"

Die Werbung für Cola Turka spielt mit dem amerikanischen Way-of-Life, aber sie hält ihm das türkische Spiegelbild entgegen. "Positiven Nationalismus" nennt das Serdar Erener, Kreativ-Direktor der Werbefirma Young & Rubicam in Istanbul, die den Spot produzierte.

Süße Rache könnte man auch sagen, weil die Demonstration türkischen Selbstbewusstseins humorvoll verpackt ist, aber doch auf Konsumenten zielt, die sich eine politisch korrekte Alternative zur amerikanischen Brause leisten wollen.

Werbemann Serdar Erener ist der Bruder der diesjährigen türkischen Grand-Prix-Siegerin Sertab Erener, die mit ihrem englisch gesungenen Titel auch auf den internationalen Markt strebte.

Während die Sängerin aber eher das westliche Publikum anpeilte, setzen die Produzenten der Firma Ülker auf den Osten. Young & Rubicam bestreitet zwar, dass die Werbe-Strategie mit der Irak-Krise zu tun hat, und auch Ülker will das Süßgetränk nicht ideologisch würzen.

Die aktuelle Weltlage aber macht das türkische Produkt populär, das wird nicht geleugnet. Zehn Wochen nachdem der Johnny-Spot erstmals lief, hat Cola Turka nach Angaben der Werbefirma bereits 19 Prozent des türkischen Cola-Marktes erobert. Bis zum Jahresende wird die 25-Prozent-Marke angepeilt.

Die Türkei ist für Getränkeproduzenten aus den USA ein beachtlicher Markt. Jedes Jahr werden zwischen Erzerum und Edirne 1,1 Milliarden Liter Cola getrunken. 55 Prozent davon entfallen auf Coca Cola.

500 Millionen US-Dollar wurden von der Coca-Cola Company in der Türkei investiert. Für ein Popfestival in Istanbul machte sie jüngst den Sponsor, was den Eindruck hinterließ, die Company wolle sich die Konsumenten nicht so einfach abjagen lassen. Aber auch Ülker ist keine kleine Getränke-Klitsche.

Mit über 750 Produkten, von Kaugummi bis Kaffee, setzt der Konzern im Jahr 2,3 Milliarden Dollar um. Zudem hat Besitzer Sabri Ülker gute Freunde. Premier Tayyip Erdogan hat vor seinem Aufstieg in der Politik Ülkers Vertriebsnetz auf der asiatischen Seite Istanbuls aufgebaut. Und im gepanzerten Dienstwagen des Regierungschefs waren bereits Cola Turka-Dosen zu sehen.

Erzählt wird auch, dass Tayyip Erdogan bei einem privaten Restaurantbesuch nach dem süßen Saft verlangte. Als der Kellner nur das amerikanische Pendant servieren konnte, soll der Premier das Wort "ayip" (Schande) hingeworfen haben.

Ob die Geschichte stimmt, ist nicht so wichtig. Es reicht, dass sie weitergetragen wird - zumal das Ülker-Vertriebsnetz inzwischen von Erdogan-Sohn Ahmet betreut wird.

Nicht nur die Türkei hat ihre Cola-Konkurrenz. Der Iran produziert seit einem Jahrzehnt Zemzem Cola, garantiert ohne US-Rezeptur. In Frankreich stellen Muslime ebenfalls politisch korrekte braune Brause her, mit den Namen Kibla Cola und Mecca Cola.

Von diesen Produkten will sich das türkische insofern unterscheiden, als dass man die Ideologie nicht gleich durchschmecken soll. Fragt man türkische Coca-Cola-Fans, wie ihnen nun der einheimische Saft mundet, so hört man häufig, eher wie Pepsi.

Weil alles, was in der Türkei erfolgreich ist, auch in der Türkei kopiert wird, tauchten bereits Kopien von Cola Turka auf, die aber wieder vom Markt genommen wurden.

Die Plagiatoren hatten leere Cola Turka-Flaschen mit braunem Wasser gefüllt. In zwei Wochen verdienten sie 100.000 Euro. Gemeinsam ist Cola Turka und Coca Cola vor allem eins: das Farbenpaar Rot und Weiß - aber das sind ohnehin die türkischen Nationalfarben.

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