Trotz heftiger Proteste hat das türkische Parlament eine Gesetzesänderung beschlossen, mit der die Tötung von Straßenhunden in bestimmten Fällen ermöglicht wird. Die Abgeordneten in der Hauptstadt Ankara stimmten mehrheitlich für die Änderung des Tierschutzgesetzes, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete. Demnach werden die Kommunen dazu verpflichtet, Straßenhunde einzufangen und in Tierheime unterzubringen. Sie sollen, wenn möglich, an Besitzer vermittelt werden. Hunde, die als krank oder aggressiv eingestuft oder eine „Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier“ darstellen, können eingeschläfert werden. Veterinäre sollen darüber entscheiden.
Angesichts der unzureichenden Tierheim-Infrastruktur in der Türkei und den teils katastrophalen Zuständen in den Einrichtungen, fürchten Tierschützer in der Praxis eine Massentötung der Tiere. Aktivisten hatten wochenlang gegen das Vorhaben protestiert.
Chaos und Massentötung?
Nach Angaben der Regierung gibt es in der Türkei schätzungsweise rund vier Millionen Straßenhunde, aber nur rund 100 000 Tierheimplätze. Bis Ende 2028, so sieht es die Änderung ebenfalls vor, sollen die Kommunen dafür sorgen, dass genug Unterbringungsmöglichkeiten geschaffen werden. Falls dies versäumt wird, drohen Gefängnisstrafen von bis zu zwei Jahren für die Verantwortlichen. Die stellvertretende Vorsitzende der Tierschutzorganisation Haytap, Senem Demirel Acar, befürchtet, das Gesetz werde zu Chaos führen. Um genügend Tierheime zu schaffen, seien vier Jahre vorgesehen, die Hunde sollten aber sofort eingesammelt werden. Sie gehe deshalb davon aus, dass auch gesunde Tiere sofort getötet werden, sagte Acar der Deutschen Presse-Agentur.
Die islamisch-konservative Regierung begründet die Maßnahme unter anderem damit, dass immer wieder Menschen von Straßenhunden angefallen werden. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte gesagt, es gehe um die „Sicherheit des Volkes“. Bislang war das Töten von Straßentieren verboten. Es war zudem vorgesehen, die Population von Straßentieren durch Kastrierung, Impfung und Wiederaussetzung in das Herkunftsgebiet zu senken. Die größte Oppositionspartei CHP wollte an der Regelung festhalten und diese konsequent umsetzen. Oppositionsführer Özgür Özel kündigte nun an, vor das Verfassungsgericht zu ziehen. Er erklärte, dass die Kommunen, die von seiner Partei geführt werden, das Gesetz nicht umsetzen werden. Die CHP hatte bei den Kommunalwahlen Ende März die meisten Bürgermeisterposten im Land gewonnen. Kritiker sehen in der Diskussion über die Straßenhunde auch eine politische Komponente und den Versuch Erdoğans, das Land weiter zu polarisieren und den von der Opposition geführten Kommunen das Leben schwer zu machen.