Türkei:Spielzeugdiebe im Palast

Türkei: Puppen für die Mädchen, Autos für die Jungs: Recep Tayyip Erdoğan verteilt gerne Spielzeug, hier nach dem Freitagsgebet in einer Moschee 2016 in Istanbul.

Puppen für die Mädchen, Autos für die Jungs: Recep Tayyip Erdoğan verteilt gerne Spielzeug, hier nach dem Freitagsgebet in einer Moschee 2016 in Istanbul.

(Foto: Anadolu Agency/Getty Images)

Wie der türkische Präsident ausgerechnet in seinem hochgesicherten Amtssitz beklaut wurde.

Von Tomas Avenarius, Istanbul

Als Präsident ist Recep Tayyip Erdoğan häufig unterwegs in seinem riesigen Land. Und wenn er irgendwo in der Türkei wieder einmal Schulen besucht oder bei Familien Hausbesuche macht zu hohen Feiertagen, dann hat der Präsident auch etwas für die lieben Kleinen dabei: ferngesteuerte Autos oder schicke Puppen, solche Sachen.

Offenbar werden die Mitbringsel im Präsidentenpalast in Ankara vorgehalten, es soll regelrechte Lager geben, auf Reisen werden sie in größeren Mengen mitgeführt. Und aus diesen Depots haben sich offenbar einige Mitarbeiter der Präsidialverwaltung über Monate, wenn nicht über Jahre bedient. Einem Bericht des Internet-Portals T24 zufolge haben die mutmaßlichen Täter Spielzeug für umgerechnet Hunderttausende Euro gestohlen und an Spielzeugläden verkauft. Die Händler konnten das Diebesgut ihren Kunden dann billiger anbieten als reguläre Ware.

Die Täter sollen die Spielsachen aus einem Lager in einer Palastmoschee gestohlen haben. Zumindest einer der acht Verdächtigen wurde dabei von einer Überwachungskamera gefilmt, er ist offenbar geständig. Ömer Faruk Erdem, Anwalt eines der anderen Verdächtigen, bestätigte der SZ den Fall. Die Diebstahlserie dauerte wohl seit fünf Jahren an, die Verdächtigen sollen laut T24 ein Garagenaufseher, Fahrer und Lagerarbeiter sein. Allein im April dieses Jahres lag der Schaden laut Ermittlungsakten bei umgerechnet 60 000 Euro.

Türkei: Auch bei diesem Termin in Ankara im Juli 2021 hat der türkische Präsident große Schachteln mit Autos dabei.

Auch bei diesem Termin in Ankara im Juli 2021 hat der türkische Präsident große Schachteln mit Autos dabei.

(Foto: Anadolu Agency/Getty Images)

Die Täter sollen ihren Gewinn zur Tarnung in Krypto-Geld angelegt haben; die Herkunft solcher Digitalguthaben lässt sich schwer verfolgen. Doch die Palastbande hat die Allgegenwärtigkeit der Überwachungskameras am Amtssitz des Staatschefs außer Acht gelassen.

Der Palast selbst ist eine Geschichte für sich. Erdoğan hatte das 1150-Zimmer-Bombastikum im Oktober 2014 eröffnet, rund 400 Millionen Euro soll es verschlungen haben. Der bescheidene alte Amtssitz erschien ihm so wenig angemessen wie Kritik am Neubau: "Der Ruf des Landes ist wichtig, da sollte man nicht sparen."

Das Gebäude zeigt sich im neo-osmanischen Stil, auf dem 210 000-Quadratmeter-Gelände auf den Hügeln über Ankara finden sich neben Erdogans Amtsräumen und der Residenz Büros der Präsidialadministration, Gästehäuser, eine Bibliothek, Kongresszentrum, VIP-Kino, eine Moschee. Unter dem Gelände gibt es ABC-Waffen-sichere Bunker, abhörsichere Räume, Geheimgänge, riesige Garagen. Der Palast ist größer als die Wiener Hofburg mit all ihren Ballsälen, Redouten, Parks und Pferdeställen. Auch der Buckingham Palace oder der Pariser Élysée können nicht mithalten. Geschweige das Weiße Haus in Washington. Ak-Saray, "der weiße Palast" - der ursprüngliche Name erinnerte die Bürger nebenbei an Erdoğans Machtvehikel, die AK-Partei, kurz AKP. Und da "ak" im Türkischen nicht nur weiß, sondern auch rein heißt, passte das für einen Islamisten wie Erdoğan.

Unwahrscheinlich, dass sich der Staatschef selbst mit Petitessen wie Spielzeugdiebstahl befasst. Doch der Palast ist eigentlich bestens gesichert bis in den hinterletzten Winkel. Dass nun ausgerechnet dort in Serie geklaut wurde - quasi unter den Augen des Präsidenten, dürfte ihm nicht gefallen.

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