Türkei:Hochgeschwindigkeitszug auf freier Strecke entgleist

Ein schweres Zugunglück im Nordwesten des Landes hat zahlreiche Menschen das Leben gekostet. Nachdem zunächst von 139 Toten berichtet wurde, korrigierten die Behörden die Zahl später auf 36. Der Zug war erst im Juni in Betrieb genommen worden.

Bei einem Zugunglück im Nordwesten der Türkei sind mindestens 36 Menschen ums Leben gekommen. Etwa 60 wurden nach Angaben der Behörden verletzt.

Zugunglück

Rettungskräfte durchsuchen die entgleisten Waggons.

(Foto: Foto: dpa)

Der Schnellzug zwischen Istanbul und Ankara, ein Vorzeigeprojekt bei der Modernisierung der türkischen Bahn, war am Donnerstagabend nahe der Ortschaften Mekece und Pamukova in der Provinz Sakarya entgleist. Eine offizielle Erklärung für das Unglück gibt es noch nicht.

Vor Mitternacht hatten das Krisenzentrum der Regierung und das Gesundheitsministerium noch von 139 Toten berichtet. Später nannten sie dann die Zahl von 36 Todesopfern.

Ein Verantwortlicher des Amtes für Notfallsituationen sagte der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu, mehrere Stellen hätten versucht, die Opferzahl zu ermitteln. Dadurch seien zunächst die zu hohen Zahlen zustande gekommen.

Zu schnell auf alten Gleisanlagen gefahren

Nach Angaben des Ingenieurs am Unfallort, der nicht genannt werden wollte, fuhr der mit 234 Passagieren besetzte Zug zum Zeitpunkt des Unglücks 140 Stundenkilometer - und somit viel zu schnell für die alten Gleisanlagen.

"Die Infraktstruktur war zu alt und konnte der zu hohen Geschwindigkeit des Zuges nicht standhalten", sagte der Ingenieur. Vor der Inbetriebnahme der neuen Schnellzüge hätten die Waggons diesen Streckenabschnitt mit einer Geschwindigkeit von 70 bis 80 Stundenkilometern passiert.

Der Schnellzug, der die Fahrzeit zwischen den beiden Metropolen von acht auf fünf Stunden verkürzte, war erst Anfang Juni in Betrieb genommen worden. Im Bereich der Unglücksstelle konnte er nach Bahnangaben nicht mit voller Geschwindigkeit fahren, weil die Schienen dort nicht für Schnellzüge geeignet sind.

Kritiker wie der derVerkehrsexperte Haluk Gercek von der Universität Istanbul hatten schon vor der Inbetriebnahme der Schnellzüge gewarnt, dass die türkische Eisenbahn 50 Jahre lang vernachlässigt worden sei. Auch die technische Instandhaltung sei unzureichend. Somit bestünden erhebliche Risiken, wenn die modernen Züge über die alten Gleise führen.

Der Generaldirektor der türkischen Bahn, Suleyman Karaman, wies Berichte jedoch zurück, wonach die Strecke unsicher sei. Auch Premier Erdogan sagte, es sei alles für die Sicherheit getan worden, bevor die Strecke eröffnet wurde. Erdogan sagte eine für Freitag geplante Reise nach Bosnien ab und machte sich mit dem Hubschrauber auf dem Weg zur Unglücksstelle.

Zur Unglücksursache betonte der Leiter des Krisenzentrums vor Ort, Muammer Türker, die Ermittler gingen jeder Möglichkeit nach. Parlamentspräsident Bülent Arinc schloss jedoch später Sabotage aus.

"Völliges Chaos" am Unfallort

Am Unglücksort herrschte nach Aussagen des Bürgermeisters der Stadt Pamukova, Feridun Turan, zunächst "völliges Chaos". Die fünf entgleisten Waggons hatten sich zum Teil ineinander verkeilt und lagen in einem zwei Meter tiefen Graben.

Die meisten Toten gab es offenbar im dritten und vierten Waggon, die sich ineinander verkeilten. Augenzeugen sprachen von einem furchtbaren Anblick.

Zahlreiche Rettungskräfte waren im Einsatz, um die Unfallstelle zu räumen. Die Polizei riegelte das Gelände ab. Rettungskräfte suchten in der Nacht in den verkeilten Waggons nach Überlebenden. Ihre Arbeit wurde jedoch durch die Dunkelheit behindert. Auf Fernsehbildern waren Soldaten zu sehen, die im Lichtschein von Taschenlampen Verletzte versorgten.

Einer der Passagiere, Orcun Acabey, sagte laut Anadolu, vor dem Entgleisen sei der Waggon heftigen Erschütterungen ausgesetzt gewesen. "Unser Fenster war auf, und wir haben uns dort nach draußen gerettet, indem wir einer dem anderen halfen", sagte Acabey, der sich im dritten Waggon des verunglückten Zuges befand.

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