Türkische Immobilienkrise:Der Disneyland-Albtraum von Mudurnu

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Nahe der türkischen Kleinstadt Mudurnu, in der Provinz Bolu, gibt es ein ganzes Tal voller unbewohnter Villen. (Foto: Adem Altan/AFP)
  • Auf halber Strecke zwischen Istanbul und Ankara nahe der Kleinstadt Mudurnu in der Provinz Bolu gibt es ein ganzes Tal voller Türme.
  • Der türkische Projektträger hat das Tal "Burj Al Babas" getauft - es sollte wohlhabende Käufer aus den Golfstaaten anziehen.
  • Der Bauträger wurde per Gerichtsbeschluss für bankrott erklärt, darf aber nun weiterbauen.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Der Galataturm hat eine schöne kegelförmige Spitze. Nachts sieht sie aus wie ein riesiger Zauberhut, wenn die Möwen im Mondlicht das Istanbuler Wahrzeichen umkreisen. Dann recken die Zuschauer unten ihre Hälse, ist ja auch märchenhaft. Die Genuesen haben der Stadt den markanten Turm einst hinterlassen, 670 Jahre alt ist er, und einmalig. War einmalig, muss man jetzt leider sagen.

Etwa 250 Kilometer von Istanbul entfernt, in der Provinz Bolu, nahe der Kleinstadt Mudurnu, gibt es ein ganzes Tal voller Türme, deren Architekt womöglich zu lange auf den Galataturm geschaut hat. Sogar die Gauben in den Kegeldächern wirken wie kopiert. Sonst aber ist alles aus den Fugen geraten: Schon die schiere Menge der weißen, burgartigen Villen lässt Ali Tepelioğlu, einen Bürger von Mudurnu, erschaudern. "Das sieht in meinen Augen aus wie das Land Draculas", sagte Tepelioğlu der Nachrichtenseite Habertürk. Bürgermeister Mehmet İnegöl sagte demselben Medium: Man habe die Baugenehmigung für 732 Häuser erteilt, wobei schon klar gewesen sei, dass die 5000 Einwohner der kleinen Stadt für diese Sorte Chateaux (Türkisch: Şato) als Käufer nicht infrage kämen. "In der Stadt leben kaum junge Menschen, die meisten sind alt."

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Arabische Kunden sollten angelockt werden

Das Tal der Türme liegt drei Kilometer vom Zentrum von Mudurnu entfernt, in grüner Umgebung. Arabische Kunden lieben so etwas, angeblich. Deshalb hat der türkische Projektträger, die Sarot Gruppe, das Tal "Burj Al Babas" getauft. Burj ist das arabische Wort für Turm. Türkische Bäder, eine Moschee und Einkaufszentren sollten das Meer der Märchenschlösschen für wohlhabende Käufer aus den Golfstaaten zusätzlich verlockend machen.

2014 begann der Bau, im November 2018 war es aus mit der Traumfabrik, die Sarot Gruppe wurde per Gerichtsbeschluss für bankrott erklärt, mit Millionenschulden. Da waren laut Hürriyet schon 350 der 732 Villen verkauft, an Kunden aus Kuwait, Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien, die dafür je 370 000 bis 530 000 Dollar ausgeben wollten. Nicht alle Villen sind gleich, auch wenn das nicht sofort auffällt, einige haben Dachspitzen mit vier Kanten, wie ein italienischer Kirchturm. In Mudurnu gibt es sonst eher traditionelle osmanische Bauten, historische Holzhäuser, die Stadt ist stolz darauf, wie gut diese erhalten sind. Sie wirbt mit "Natur und Kultur", mit Thermalquellen, Seen, Wäldern.

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(Foto: Adem Altan/AFP)

In Reih und Glied: 732 Villen wurdennahe der türkischen Kleinstadt Mudurnu seit 2014 gebaut - bis die Sarot-Gruppe Bankrott erklärte.

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(Foto: Adem Altan/AFP)

Das Tal sollte durch das Bauprojekt aufgewertet werden. Türkische Bäder, eine Moschee und Einkaufszentren sollten das Meer der Märchenschlösschen für wohlhabende Käufer aus den Golfstaaten zusätzlich verlockend machen.

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(Foto: Umit Bektas/Reuters)

Mudurnu liegt auf halbem Weg zwischen Istanbul und Ankara.

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(Foto: Adem Altan/AFP)

In zwei Monaten wird vermutlich ein Entschluss fallen, was mit der Geisterstadt passieren soll.

Nicht nur die Bauherren in der Provinz Bolu sind in Not, im ganzen Land gerieten große und kleine Projekte ins Stocken, seit die Lira 2018 stark an Wert verlor, die Türkei steckt in einer Wirtschaftskrise. Das Disney-Land bei Mudurnu aber ist wohl eines der absurdesten Beispiele für einen schier unbegrenzten Bauboom. Was passiert nun mit dem Tal der Geisterburgen?

In der vergangenen Woche traten vor einem Konkursgericht in Istanbul 100 Gläubiger auf, es ging zeitweise turbulent zu. Als Forderungen an die Sarot Gruppe wurden etwa 38 Millionen Euro errechnet. Der Anwalt der Firma, Özgür Yanar, sagte: "Wenn wir weiterbauen dürfen, dann machen wir Geld, wenn nicht, wird alles zu Schlamm." In ein paar Monaten werde man die finanziellen Probleme gelöst haben, sagte der Anwalt. Der folgende Beschluss überraschte auch einige der Anwesenden: Sarot darf erst mal weiterbauen. Aber in zwei Monaten wollen sich die Gläubiger wieder treffen. Dann wird man vielleicht wissen, was aus dem Tal der Albträume wird.

© SZ vom 12.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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