SZ-Serie "Ein Anruf bei ...":"Die Kuh ist 20 Minuten online"

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İzzet Koçak setzt seinen Kühen testweise die VR-Brillen seiner Kinder auf. Vielleicht entwickelt ja mal irgendein Start-up VR-Brillen in Rinder-Größe? (Foto: Zekeriya Karadavut/picture alliance / Anadolu Agency)

Der türkische Bauer İzzet Koçak lässt sein Milchvieh in der virtuellen Realität grasen. Das zahlt sich beim Melken aus. Wenn nur die dicken Kuhschädel nicht wären.

Interview von Tomas Avenarius, Istanbul

Der Bauer İzzet Koçak, 30, aus dem türkischen Aksaray geht unkonventionelle Wege. Um im Winter mehr Milch von seinen Kühen zu bekommen, setzt er den Tieren Virtual-Reality-Brillen auf - damit die Kühe denken, sie grasen auf einer satten Weide, während sie in Wirklichkeit im Stall stehen und gemolken werden. Das funktioniert: In den Milchkannen finden sich fünf, sechs Liter mehr als in früheren Jahren.

SZ: Guten Morgen, Herr Koçak. Besuchen darf man Sie nicht, telefonisch sind Sie auch nur schwer erreichbar. Was ist bei Ihnen los?

İzzet Koçak: Viel ist los. Die Weltpresse rennt mir die Türen ein, alle schreiben über die Kühe mit den VR-Brillen. Es gibt Millionen Klicks im Internet. Sogar die New York Times hat sich gemeldet wegen meiner Kühe. Aber ich gebe den Journalisten nur noch am Telefon Auskunft. Wegen Corona - Besuch geht ja nicht.

Das globale Interesse kann Sie kaum erstaunen. Welcher Bauer setzt seinen Kühen schon eine VR-Brille auf, um mehr Milch zu bekommen?

Ja, aber das funktioniert gut. Während wir die Tiere melken, tragen sie die Geräte und sehen die reine Natur: Wiesen, Wälder, Bäche. Außerdem hören sie klassische Musik. Mozart und Beethoven. Und weil ihnen das gefällt, geben sie mehr Milch.

Wie sind Sie denn auf diese Idee gekommen?

Ich habe auf Facebook gelesen, dass sie in Russland solche Dinge erfolgreich versucht haben, und es dann ausprobiert. Ich habe die VR-Brillen meiner Kinder genommen und sie den Kühen aufgesetzt.

Manche Zeitungen schreiben aber, es seien Spezialbrillen aus Russland. Stimmt das?

Nein, meine VR-Brillen sind wirklich für Kinder. Die sind nicht teuer, etwa 250 Türkische Lira (umgerechnet 17 Euro, d. Red.). Für den Kuhschädel sind die natürlich zu klein. Aber richtige Virtual-Reality-Brillen für Tiere gibt es noch nicht. Ich benutze deshalb zwei Geräte pro Kuh: Auf einem Auge sehen die Tiere eine Endlosschleife mit dem Natur-Video, auf dem anderen ist es dunkel. Das Natur-Video speisen wir aus einem Mobiltelefon ein. Aber jetzt habe ich Kontakt zu einer Firma, die etwas Passendes entwickeln soll, etwas für beide Kuhaugen.

Und die Rinder tragen diese Teile den ganzen Tag?

Nein, nein, nur zum Melken. Die Kuh ist 20 Minuten online, länger dauert das Ganze nicht. Es sind bisher lediglich zwei Tiere, mit denen ich teste. Demnächst erhöhe ich auf sechs. Und wenn es weiter gut läuft, mache ich es mit allen meinen Milchkühen.

Wie heißen denn Ihre zwei Wunderkühe?

Die haben eigentlich keine richtigen Namen. Ich nenne sie meine "Golden Girls".

Türkische Tierschützer sagen, Sie seien ein übler Tierquäler.

Nein, bin ich nicht. Den Tieren gefällt die Musik, sie beruhigt sie. Auch die Videos mögen sie. Außerdem habe ich mich mit Tierärzten beraten. Die haben gesagt, dass das unproblematisch sei.

Und wenn die Golden Girls nicht online sind, was machen sie dann?

Sie stehen im Stall oder auf der Weide. Mein Hof hat mehr als 6000 Quadratmeter Fläche, und ich produziere jährlich 700 Tonnen Milch.

Sie scheinen sich mit Rindern auszukennen. Sind Sie auf einem Hof groß geworden?

Ja, wir sind eigentlich ein Drei-Generationen-Betrieb. Mein Großvater ist Bauer, mein Vater, ich - und meine zwei kleinen Söhne später hoffentlich auch. Ich selbst habe bis vor drei Jahren noch auf dem Hof meines Vaters gearbeitet. Dann habe ich mich selbständig gemacht. Ich habe jetzt 180 Rinder, 100 davon Milchkühe. Es ist eine schöne, rotbraune Rasse. Die stammen aus Österreich.

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