Tschechien:Der Protz der frühen Jahre

Nach der Wende wurden sie mit dubiosen Geschäften reich - nun hat Tschechien Mühe, seine drei bekanntesten Schwerverbrecher zu belangen. Immerhin einer der drei Gangster könnte demnächst ausgeliefert werden.

Klaus Brill, Prag

Er wurde reich mit Rum, so fing es an. Als im Herbst 1989 in Mittel- und Osteuropa der Kommunismus zusammenbrach, war Tomas Pitr erst 18 Jahre alt und besuchte eine Schule für Maschinenbau. Aber die Möglichkeiten, die die neue Zeit nun bot, erfasste er rasch. Ohne seine Ausbildung zu beenden, begann er, sich als Unternehmer zu betätigen und verdiente schon als 20-Jähriger große Summen mit dem Verkauf von Rum, den er von einer staatlichen Gesellschaft günstig erwarb und weiterverkaufte.

Tschechischer Milliardär Viktor Kozeny auf Kaution frei

Viktor Kozeny bereicherte sich auf Kosten von Kleinanlegern und speist schon einmal für 21000 Dollar. Vor einer Haftstrafe floh er auf die Bahamas.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Bald ging er mit großen Summen um, übernahm diverse Firmen und wurde von der Presse zu jener Handvoll junger Aufsteiger gezählt, die im Turbokapitalismus der neunziger Jahre in Tschechien aus dem Nichts zu märchenhaftem Reichtum gelangten. Nur hielt er sich dabei nicht immer an die Gesetze, so dass ihn bald die Polizei verfolgte. Derzeit ist der 39-Jährige in der Schweiz inhaftiert und wird wohl bald an Tschechien ausgeliefert, wo ihn das Gefängnis erwartet.

Tomas Pitr hatte sich zuvor jahrelang der Justiz seines Heimatlandes durch Flucht entzogen, ebenso wie zwei andere Aufsteiger der Wendezeit, die wegen schwerer Verbrechen gesucht werden. Es sind der als Unterwelt-Boss verdächtigte Manager Radovan Krejcir, der heute in Südafrika lebt, und der frühere Finanzjongleur Viktor Kozeny, der schon seit Jahren auf den Bahamas weilt.

Viktor Kozeny erregte schon vor 15 Jahren Aufsehen, weil er seinen neuen Reichtum protzig zur Schau stellte. Er bewohnte Luxusvillen, fuhr teure Autos und leistete sich spektakuläre Ausschweifungen. Ins Buch der Rekorde ging er mit dem teuersten Abendessen aller Zeiten ein - die Rechnung betrug 21.000 Dollar. Kozeny hatte das große Geld Anfang der 1990er Jahre gemacht, als in der Tschechoslowakei mittels so genannter Kupons die meisten Staatsfirmen privatisiert wurden. Jeder Bürger erhielt solche Anteilsscheine und konnte sie investieren.

Kozeny bündelte Kupons in einer Fondsgesellschaft und verwaltete sie, doch hat er als Treuhänder damals offenkundig Hunderttausende tschechischer Kleinanleger um ihr Geld gebracht. In einem zwei Jahre lang in Prag geführten Prozess wurde ein Schaden von 640 Millionen Euro festgestellt, im vorigen Sommer wurde Kozeny deshalb zu zehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Er dachte nicht daran, vor den Prager Richtern als Angeklagter aufzutauchen. Seit langem lebt er als irischer Staatsbürger auf den Bahamas, wo er bereits zwei Jahre in Untersuchungshaft verbrachte. Die USA hatten damals - vergeblich - seine Auslieferung beantragt. Kozeny hatte nämlich in einem anderen groß angelegten Gaunerstück gleicher Spielart 400 Millionen Dollar von US-Investoren eingeworben und dann für sich behalten, als eine damit geplante Investition in der Ölindustrie Aserbaidschans nicht zustande kam.

Der Vorwurf: Betrug und Steuerhinterziehung

Auch Radovan Krejcir war durch die Kupon-Privatisierung zum Multimillionär geworden. Jahrelang hielt er die tschechische Polizei und die Öffentlichkeit zum Narren. 2006 war der 36-Jährige bei einer Razzia in seiner Luxusvilla bei Prag geflohen und später auf den Seychellen aufgetaucht. Von dort drohte er in Interviews mit Enthüllungen, die auch die tschechische Politik erschüttern würden.

Es folgte jedoch nichts, Krejcir tauchte in Südafrika unter, wo er verhaftet, aber nicht an Tschechien ausgeliefert wurde. In der Heimat wird ihm vorgeworfen, in großem Stil Betrug begangen und Steuern hinterzogen zu haben. Außerdem soll er den Auftrag zum Mord an einem Zollbeamten erteilt haben, der gegen ihn in einem Prozess als Kronzeuge aussagen sollte. Auch andere Belastungszeugen in seinem Umfeld kamen auf rätselhafte Weise ums Leben. Zuletzt erregte Krejcir in Südafrika Aufsehen, weil der dort ermordete deutsche Autotuner Uwe Gemballa aus Stuttgart offenbar mit ihm in engen geschäftlichen Kontakten stand und sich mit ihm zerstritten hatte.

Wie lange es Krejcir und Kozeny gelingt, der tschechischen Justiz eine Nase zu drehen, ist offen. Im Fall des dritten Flüchtlings Tomas Pitr hingegen dürfen die Ermittler bald auf eine Auslieferung hoffen. Vier Jahre lang war der Selfmade-Man, der im Lebensmittel- und Ölgeschäft tätig war, im Ausland abgetaucht, ehe ihn im Juni vorigen Jahres die Schweizer Polizei auf einen Tipp der tschechischen Kollegen hin in einem Luxushotel in St. Moritz verhaftete. Ein Auslieferungsverfahren läuft, und kurz vor Weihnachten willigte die Schweizer Justiz ein, den Gesuchten nach Prag zu überstellen. Pitr kann und will dagegen noch letzte Rechtsmittel einlegen, doch das dürfte ihm nicht viel helfen.

Auf Jahre hin wird er also womöglich hinter Gittern bleiben. Wegen Steuerbetrugs hatte ihn schon vor Jahren ein Prager Gericht zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt, ein weiterer Betrugsfall beim Handel mit Firmenanteilen brachte ihm 2010 weitere sechs Jahre ein. Pitrs Unternehmen indes sind weiter aktiv.

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