Süddeutsche Zeitung

Tröglitz in Sachsen-Anhalt:Brandanschlag auf künftiges Flüchtlingsheim

  • In Tröglitz in Sachsen-Anhalt ist in einer künftigen Asylbewerberunterkunft ein Feuer ausgebrochen. Die Polizei geht von vorsätzlicher Brandstiftung aus.
  • Tröglitz war nach dem Rücktritt des ehemaligen Bürgermeisters in die Schlagzeilen geraten. Er hatte sich für Flüchtlinge eingesetzt und wurde deshalb von Rechtsextremisten bedroht.

Feuer in künftiger Asylbewerberunterkunft

In der Ortschaft Tröglitz in Sachsen-Anhalt ist in der Nacht zum Samstag ein Haus, in dem künftig Flüchtlinge untergebracht werden sollen, in Brand gesetzt worden. Nach Erkenntnissen der Polizei ist das Feuer vorsätzlich gelegt worden.

Die Ermittler gehen von schwerer Brandstiftung aus. Auch eine versuchte Tötung könne nicht ausgeschlossen werden, sagte Oberstaatsanwalt Jörg Wilkmann bei einer Pressekonferenz, auf der sich auch Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU) äußerten.

"Ich bin tief betroffen und wütend, dass dieses Verbrechen stattgefunden hat", sagte Haseloff. Es handle sich um eine gemeingefährliche Straftat schlimmster Art, so der Staatsanwalt. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Täter aus politischen Motiven handelten, so der Staatsanwalt. Deshalb ermittelt auch der Staatsschutz, der immer dann eingeschaltet wird, wenn der Verdacht besteht, dass es sich um politisch motivierte Straftat handeln könnte.

Der mutmaßliche Tathergang

Bislang, so die Polizei, sei bekannt, dass eine oder mehrere Personen in der Nacht in das Haus eingebrochen seien und dort das Feuer gelegt hätten. "Dabei wurde mit großer Wahrscheinlichkeit auch Brandbeschleuniger verwendet", heißt es in einer Pressemitteilung der Polizei.

Der Brand brach der Polizei zufolge gegen 2 Uhr im Dachgeschoss des Hauses aus. Zu diesem Zeitpunkt hätten sich zwei Bewohner in dem Gebäude aufgehalten, die sich aber in Sicherheit bringen konnten, ohne Verletzungen davon zu tragen. Bei dem Feuer entstand Sachschaden in sechsstelliger Höhe.

Rücktritt eines Bürgermeisters

Tröglitz war in die Schlagzeilen geraten, nachdem der bisherige Bürgermeister Markus Nierth nach Drohungen von Rechtsextremen gegen ihn und seine Familie zurückgetreten war. Auch dabei ging es um die Asylbewerberunterkunft, in der von Mai an 40 Flüchtlinge untergebracht werden sollen.

Nierth, 46, begründete seinen Rücktritt damit, dass er sich von der Politik nicht ausreichend unterstützt und seine Familie nicht gut genug geschützt gefühlt habe. Sein Schritt hatte eine bundesweite Debatte über den Schutz von Politikern vor übergriffigen Demonstranten ausgelöst.

Landrat informiert die Bürger über Flüchtlingsunterbringung

Am vergangenen Dienstag hatte Landrat Götz Ulrich (CDU) bei einer Bürgerversammlung mit etwa 500 Teilnehmern über die Unterbringung der Flüchtlinge informiert und Fehler bei der Planung eingeräumt. Bei der Veranstaltung mischten sich auch mehrere lokale NPD-Aktivisten unter das Publikum und protestierten lautstark gegen die Asylbewerberunterkunft. Andererseits kamen auch etwa 100 Unterschriften für eine vom örtlichen Gemeindepfarrer mitorganisierte Bürgerinitiative zusammen, die sich dafür einsetzt, dass die Flüchtlinge in Tröglitz herzlich aufgenommen werden.

Nierth glaubt an ausländerfeindlichen Hintergrund

In der Online-Ausgabe des Tagesspiegel äußert sich Nierth über den jüngsten Vorfall. Er geht offenbar fest davon aus, dass die Tat einen ausländerfeindlichen Hintergrund hat - was allerdings noch nicht gesichert ist. "Ich bin fassungslos, traurig und wütend zugleich. Da ist die braune Saat so weit aufgegangen, dass man nun lieber Häuser niederbrennt, in denen Familien eine neue Bleibe finden sollten", sagte der ehemalige Bürgermeister.

Nierth will die Flüchtlinge jetzt privat unterbringen. "Ich habe noch zwei Wohnungen, die ich bereits als Unterkünfte angeboten habe", sagte Nierth der Nachrichtenagentur dpa. Er wünsche sich, dass auch andere Tröglitzer privat Unterkünfte zur Verfügung stellten. "Die Braunen dürfen über unseren Ort nicht siegen."

Für 17 Uhr hat eine Bürgerinitiative zu einer Kundgebung und zu einem Gebet auf dem Friedensplatz in der Mitte des Ortes aufgerufen. Zu der Veranstaltung werden auch Ministerpräsident Haseloff und Innenminister Stallknecht erwartet.

Reaktionen auf den Brandanschlag

Politiker, wie Justizminister Heiko Maas äußern angesichts des Brandanschlages ihr Entsetzen.

Wenn Flüchtlingsheime brennen, sei das beschämend, sagte Maas außerdem der Welt am Sonntag. "Wo immer Rechtsextreme Stimmung machen gegen Ausländer, müssen wir gemeinsam dagegen halten und deutlich machen: Menschen, die gerade alles verloren haben und sich hilfesuchend zu uns flüchten, sind bei uns willkommen", so der SPD-Politiker.

Ähnlich äußerte sich Innenminister Thomas de Maizière (CDU): "Wenn sich das tatsächlich bestätigen sollte, ist das eine abscheuliche Tat, die unverzüglich aufgeklärt werden muss. Die Täter gehören hinter Schloss und Riegel." Menschen, die Schutz in Deutschland suchten, müssten hier friedlich und sicher leben können. Die Sicherheitsbehörden sind fest entschlossen, das hierfür Notwendige zu tun."

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dpa/AFP/olkl/plin
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