Messerattacke in Regionalzug:Attentäter von Brokstedt verglich sich mit Anis Amri

Messerattacke in Regionalzug: Kerzen und Blumen stehen und liegen im Bahnhof Brokstedt in einem Wartehäuschen.

Kerzen und Blumen stehen und liegen im Bahnhof Brokstedt in einem Wartehäuschen.

(Foto: Marcus Brandt/dpa)

Bei einem Trauergottesdienst gedenken zahlreiche Menschen der Opfer. Fast zeitgleich werden neue Erkenntnisse über den mutmaßlichen Täter bekannt.

Hunderte Menschen sind am Sonntag zu einem ökumenischen Gottesdienst in Neumünster gekommen, um der Opfer der tödlichen Messerattacke in einem schleswig-holsteinischen Regionalzug zu gedenken. An der Zeremonie in der Vicelinkirche am frühen Nachmittag nahmen auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und zahlreiche weitere Landespolitiker teil. In Neumünster hatten die bei dem Verbrechen Getöteten, eine 17-Jährige und ein 19-Jähriger, die Berufsschule besucht.

Messerattacke in Regionalzug: Trauergottesdienst für die Opfer der Messerattacke in einem Regionalzug bei Brokstedt: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), rechts neben ihm Peter Tschentscher (SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg, Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und Eka von Kalben (Bündnis90/Die Grünen), Vizepräsidentin des Landtags Schleswig-Holstein.

Trauergottesdienst für die Opfer der Messerattacke in einem Regionalzug bei Brokstedt: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), rechts neben ihm Peter Tschentscher (SPD), Erster Bürgermeister von Hamburg, Daniel Günther (CDU), Ministerpräsident von Schleswig-Holstein und Eka von Kalben (Bündnis90/Die Grünen), Vizepräsidentin des Landtags Schleswig-Holstein.

(Foto: Marcus Brandt/dpa)

Zu dem Gottesdienst hatten die Katholische Kirche und die Evangelisch-Lutherische Kirche gemeinsam eingeladen. "Was bei Brokstedt geschehen ist, überfordert und übersteigt unsere Vorstellung", sagte Erzbischof Stefan Heße. "So ein Gottesdienst macht nichts ungeschehen. Die Seelen von vielen Menschen werden noch lange wund sein. Aber das gemeinsame Gebet und das gemeinsame Gedenken trägt uns." Die große Anteilnahme sei überwältigend und mache Mut, sagte der Erzbischof. Die Gesellschaft müsse im Dialog bleiben. "Deshalb haben wir heute auch besonders für den Zusammenhalt in den Städten und Dörfern gebetet."

Ibrahim A. sitzt in Untersuchungshaft

Es sind nur wenige Fußminuten zwischen der Kirche mit Hunderten Trauernden und dem Gefängnis, in dem in Neumünster der mutmaßliche Täter sitzt.

Fast zeitgleich mit dem Gottesdienst wurden neue Erkenntnisse über Ibrahim A. bekannt. Der mutmaßliche Täter, ein 33-jähriger Palästinenser, sitzt wegen zweifachen Mordes und versuchten Totschlags in vier Fällen in Untersuchungshaft. Bei dem Messerangriff am 25. Januar waren außerdem fünf Menschen verletzt worden, drei davon lebensgefährlich.

Ibrahim A. soll sich wenige Monate vor seiner Entlassung aus dem Hamburger Gefängnis mit dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, verglichen haben. "Es gibt nicht nur einen Anis Amri, es gibt mehrere, ich bin auch einer", habe er zu Bediensteten gesagt, wie die Justizbehörde auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag mitteilte. Die Äußerung vom August 2022 sei in einem sogenannten Wahrnehmungsbogen in der Gefangenenpersonalakte festgehalten worden.

Wiederholt verbal aggressiv während der Untersuchungshaft

Zudem gehe daraus hervor, dass Ibrahim A. am 6. August 2022 bei der Vorbereitung für die Freistunde auf dem Hof nach Wahrnehmung eines Bediensteten "vor sich hinstammelte": "Großes Auto, Berlin, das ist die Wahrheit". Gegenüber einem weiteren Bediensteten äußerte er den Angaben zufolge auf dem Weg zum Hof zwei Mal, ob dieser auch "unter die Reifen" wolle.

Ibrahim A. fiel nach Angabe der Behörde während seiner Untersuchungshaft wiederholt als verbal aggressiv und unangemessen auf. Er versuchte demnach auch, seinen Forderungen mit Beschimpfungen Nachdruck zu verleihen. Abgesehen vom Vorfall vom 6. August 2022 seien jedoch keinerlei Äußerungen dokumentiert, die einen extremistischen Bezug nahelegen könnten. Auch sein übriges Vollzugsverhalten sei insoweit unauffällig gewesen. Auch das Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz habe nach der Tat bestätigte, dass Ibrahim A. nicht als extremistisch bekannt ist.

Scholz argumentiert für Rückführung abgelehnter Asylbewerber

Beim Landesparteitag der schleswig-holsteinischen SPD hatte Bundeskanzler Olaf Scholz am Sonntagmorgen gesagt, dass man sich mit Taten wie der Messerattacke von Brokstedt niemals abfinden werde. "Wir werden niemals akzeptieren, dass so etwas in unserem Land geschieht", so Scholz. Zwei junge Leute seien unschuldige Opfer einer völlig verrückten Tat geworden.

Zur Debatte über die Rückführung abgelehnter Asylbewerbern sagte Scholz in diesem Zusammenhang, darüber dürfe nicht immer nur geredet werden. Diejenigen, die sich nicht erfolgreich auf den Schutz in Deutschland berufen können, müssten in ihre Herkunftsländer zurückkehren. "Das ist für die Gewährleistung von Asyl zentral", sagte Scholz. Damit die betreffenden Länder ihre Bürger zurücknehmen, seien ganz konkrete Vereinbarungen notwendig. "Ich werde auch alles dafür tun, dass es sich nicht nur um eine Bemühung Deutschlands handelt, sondern dass wir in Europa da gemeinsam handeln." An dem Trauergottesdienst in Neumünster wolle er als stiller Gast teilnehmen.

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