Süddeutsche Zeitung

Trauer um McDonald's-Filiale in Mailand:Mc Weg

Wenn 5000 Menschen einem Restaurant die letzte Ehre erweisen, besitzt es kulinarischen Kultcharakter. Sollte man meinen. In Italien hat nun die Schließung einer McDonald's-Filiale für emotionale Ausbrüche gesorgt. Warum die Mailänder um ein Lokal mit Massenabfertigung trauern.

Johanna Bruckner

"Kreuzberg isst anders", propagierten die Bewohner, als 2007 die erste McDonald's-Filiale in ihrem Viertel eröffnen sollte. Aber nicht nur Gourmets waren bei der Aussicht auf genormte Buletten zwischen watteweichen Weißbrothälften entsetzt. Imbissbuden-Besitzer fürchteten, im Preiskampf mit dem Fast-Food-Riesen um ihre Existenz. Unter die Demonstranten in der Wrangelstraße mischten sich auch Kapitalimus-Kritiker.

Nun sind die Italiener wohl mehr noch als die Deutschen stolz auf ihre Esskultur. Umso erstaunlicher ist die Reaktion, die die Schließung einer McDonald's-Filiale in Mailand nun ausgelöst hat: Statt zu jubilieren, stürzte das Aus für den Burgerladen in der noblen "Galleria Vittorio Emmanuele II" die Mailänder ins Jammertal.

Am letzten Verkaufstag bildete sich eine 100 Meter lange Schlange vor dem Geschäft, Tausende gaben der System-Gastronomie das letzte Geleit. Wobei der Ansturm nicht nur der Tatsache geschuldet gewesen sein dürfte, dass sich die Filiale mit Frei-Fritten von den Fast-Food-Fans verabschiedete. Man wolle "mit einem Lächeln gehen", hieß es imagewirksam von Seiten des Unternehmens.

"Du nimmst mit Dir einen Teil meines Lebens"

Auf der Facebook-Seite von McDonald's Italien verliehen die Menschen ihrer Trauer um den beliebten Treffpunkt Ausdruck: "Auf Wiedersehen, mein lieber MC in der Galleria, mit Dir gehen so viele Erinnerungen und Emotionen, geborgen in Deinen Räumen. Immer mal wieder wollte ich sie neu erleben, dazu musste ich dich nur neu betreten", schrieb Anastasia. "Jetzt wird es dich nicht mehr geben und Du nimmst mit Dir einen Teil meines Lebens." Andere Nutzer beließen es bei einem schlichten "Ich werde Dich vermissen".

Direkt neben dem Mailänder Dom gelegen, ist die "Galleria Vittorio Emmanuele II" seit der Eröffnung 1867 ein Anziehungspunkt für alle jene, die nicht nur über einen erlesenen Geschmack, sondern auch den dazu passenden Kontostand verfügen. 20 Jahre lang hielt sich das Schnellrestaurant in der luxuriösen Einkaufspassage, neben Nobelshops wie Gucci und Louis Vuitton, in denen man für den Preis eines Mc-Menüs wohl nicht mal einen Knopf bekommen würde.

Die italienische Zeitung Corriere della Serra erklärte die Trauer der Mailänder dann auch mit der symbolischen Bedeutung des Burgerlokals: McDonald's steht in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten demnach für den noch bezahlbaren Restaurantbesuch.

Platz machen muss die Fast-Food-Filiale einem Prada-Outlet. Das italienische Luxus-Label hatte bei der Immobilienausschreibung 2011 den Zuschlag erhalten, vor Apple und Gucci. McDonald's hatte gar nicht erst mitgeboten, angeblich aus Protest gegen die Diskriminierung von Restaurants.

"Ein Ort mehr für Luxus, einer weniger der Geselligkeit für jedermann", kommentierte der CEO von McDonald's Italien die Entscheidung über den neuen Mieter. Bei so viel Pathos des Vorsitzenden könnte man es beinahe für böswillige Verleumdung halten, dass das Unternehmen seinen Weggang nicht ohne finanzielle Gegenleistung angetreten haben soll. Ein Branchenkenner sagte dem Guardian, er halte es für wahrscheinlich, dass McDonald's mit der Stadt Mailand einen Deal gemacht habe.

Anderen Berichten zufolge plant die Fast-Food-Kette die Stadt Mailand wegen zukünftiger Einnahmeausfälle zu verklagen - auf 24 Millionen Euro. Na dann: Prost Mahlzeit.

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