Süddeutsche Zeitung

Transfrau bei "Miss Universe":Ángel und Ángela

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Von Thomas Urban, Madrid

Einen "kleinen Kulturkampf" nannte der Kommentator des populären Kanals Telemundo die Aufregung um Ángela Ponce, die in diesen Tagen vor allem in der spanischsprachigen Welt herrscht. Und das am Vorabend des Schönheitswettbewerbs "Miss Universe", zu dem sich die Siegerinnen aus mehr als 100 Ländern in Bangkok eingefunden hatten. Dort waren alle schon kräftig dabei, auswendig zu lernen, was sie an dem Abend auf die obligatorische Frage nach dem sozialen Engagement sagen: zum Weltfrieden beitragen, die Umwelt retten, mindestens aber den Armen und Schwachen helfen. Was würde wohl Ángela Ponce sagen?

Die 27-jährige "Miss Spanien" wurde als Junge geboren, doch mit 16 begann sie eine Hormonbehandlung. Vor vier Jahren unterzog sie sich einer Operation zur Geschlechtsangleichung, sie bekam eine künstliche Vagina. Die Vorberichte aus Bangkok vermittelten das Bild einer großen Harmonie unter den schönen Frauen dieser Welt, es wird gelacht und geknuddelt nach Herzenslust. Aber in manchen Medien und vor allem in den Foren ging es hoch her. In der Kontroverse gibt es zwei große Lager, und es ist eine Ironie der Geschichte, dass sich dabei die Unterstützer des Profimodels vor allem in ihrem Heimatland finden, Kritiker ihrer Teilnahme an dem Wettbewerb indes in Lateinamerika.

Die kolumbianische Schönheitskönigin Valeria Morales hatte den Konflikt eröffnet: "Das soll doch ein Wettbewerb für Frauen sein, die als Frauen geboren wurden!" Ein Teil der spanischen Medien attackierte die Kolumbianerin: Sie sei intolerant, im Internet war gar von "Aufrufen zum Hass" die Rede. Ángela Ponce aber bemühte sich um Entspannung: "Ich respektiere sie und respektiere auch ihre Meinung." Im Netz wurde indes über die Spanierin hergezogen: Sie lache wie ein Mann, habe herbe Gesichtszüge und außerdem sei ihre Stimme noch tiefer als üblich bei den Frauen in Andalusien.

In einem Dorf im andalusischen Hinterland ist Ángel (Engel), wie der Taufname lautet, groß geworden. Im spanischen Fernsehen erzählte sie, wie sie entdeckte, dass sie eigentlich im falschen Körper stecke. Ángel spielte nie Fußball mit den Dorfjungen, interessierte sich nicht für Autos, sondern für Puppen. Mit 12, 13 trug Ángel gern Mädchenschmuck im langen Haar. In der Schule wurde er gehänselt, trotzig schminkte er sich dann. In dem Alter, so formuliert sie es heute selbstironisch, wurde ihr klar: "Ich wollte nicht mehr mit Barbie spielen, ich wollte Barbie sein." In langen Gesprächen hat der Sohn die Eltern davon überzeugt, dass er sich einer Geschlechtsangleichung unterziehen möchte.

Im Rückblick schildert sie, dass die meisten Mädchen aus ihrem Freundeskreis keine Probleme damit gehabt hätten, die Jungen aber sehr wohl, die meisten hätten sich abgewandt. "Schon immer war meine DNA weiblich", sagt sie. Die spanische Regenbogenpresse begeistert sich über ihre "Idealmaße": 91-60-90. Und 1,77 Meter groß. Freimütig erzählt sie von der großen Operation. Es sei ein langer und sehr schmerzhafter Weg gewesen, bis ihr Körper die künstlichen Teile angenommen habe.

Donald Trump änderte die Regeln des Wettbewerbs: Seitdem dürfen auch Transfrauen antreten

Unvermittelt lobte sie in einem Interview Donald Trump und produzierte damit ungewollt eine Schlagzeile. Sofort stellte sie klar: "Nein, die Politik meine ich nicht." Aber in der Zeit, als Trump noch Veranstalter des Wettbewerbs war, seien die Regeln so geändert worden, dass auch Transfrauen daran teilnehmen könnten. Vor drei Jahren hatte sie die Miss-Wahl im Bezirk Cádiz in Westandalusien gewonnen, war aber zur landesweiten Wahl nicht zugelassen. Doch dieses Jahr war es dann so weit. Für spanische Soziologen ist klar, warum der Protest gegen ihre Teilnahme in Bangkok vor allem aus Lateinamerika kam: Dort seien die Gesellschaften viel konservativer, sie seien viel stärker als Spanien bis heute von der katholischen Kirche geprägt.

Hinter den Kulissen, so wollen spanische Reporter erfahren haben, war der Konflikt aber auch kurz vor dem Spektakel an diesem Montag längst nicht ausgestanden. Denn die Regeln für Miss-Wettbewerbe schließen eigentlich Frauen aus, die sich Schönheitsoperationen unterzogen haben. Eine Geschlechtsangleichung fällt zwar nicht in diese Kategorie, aber Ángela Ponce hatte angedeutet, dass ihre Brüste nicht allein das Resultat der Hormonbehandlung seien. Dies ist auch der Punkt, den die Unterstützer der Kolumbianerin Valeria Morales anführten. Diese selbst sagte einsilbig: "So wie es laufen soll, damit können wir nicht einverstanden sein."

Ein spanischer Miss-Wahlen-Experte meinte in einer Talkshow, Ángela Ponce könne es in die Endrunde schaffen, weil der Wettbewerb dadurch in Europa und auch Nordamerika das Etikett "tolerant" bekomme. Das wäre gut für die Vermarktung in Zeiten, in denen Miss-Wahlen als sexistisch verteufelt würden. "Doch siegen wird sie nicht." Damit hat er recht behalten. Zur Miss Universe 2018 gekührt wurde die 24-jährige Studentin Catriona Gray von den Philippinen. Die ausschließlich weiblich besetzte Jury wählte Ponce unter die besten 20 der 94 Bewerberinnen.

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Quelle:
SZ vom 17.12.2018
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