Süddeutsche Zeitung

Prozess in Bayreuth:Wie kam Sophia L. zu Tode?

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Es war ein Kriminalfall, der die Öffentlichkeit im vergangenen Sommer aufgewühlt hat. Eine junge Studentin steigt an einer Autobahnraststätte in der Nähe von Leipzig in einen Lkw. Sie will nach Hause, nach Amberg in der Oberpfalz. Auf der Fahrt schreibt sie noch eine Nachricht an eine Freundin. Sie habe Glück gehabt, ein marokkanischer Fahrer habe sie mitgenommen. Das ist die letzte Spur von Sophia L. An ihrem Heimatort kommt sie nie an. Einige Tage nachdem ihre Familie Sophia als vermisst gemeldet hat, wird ihre Leiche nahe einer Tankstelle im Norden Spaniens gefunden. Der Lkw-Fahrer war kurz zuvor in Andalusien festgenommen worden.

Vor dem Landgericht in Bayreuth, wo von diesem Montag an der Prozess gegen den Mann geführt wird, herrscht riesiger Andrang. Zwölf Verhandlungstage sind angesetzt. 17 Zeugen und drei Sachverständige sollen gehört werden, um herauszufinden, wie genau die Tat abgelaufen ist.

Zwar hat der Lkw-Fahrer zugegeben, die Studentin bei einer Auseinandersetzung getötet zu haben. Der genaue Tathergang ist jedoch unklar. Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklageschrift von Mord aus. Demnach sei der Lkw-Fahrer zuvor, vermutlich am Rastplatz Sperbes an der A 9 in Oberfranken, "sexuell übergriffig" geworden und habe sich an der Studentin "auf unbekannte Art und Weise" vergangen. In der Folge habe er Sophia L. zu "einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt" getötet, weil er befürchtete, dass sie ihn wegen der von ihm begangenen Straftaten anzeigen würde.

Die Tötung zur Verdeckung anderer Straftaten, etwa einer Vergewaltigung, ist im Strafgesetzbuch als eines der Mordmerkmale klassifiziert. Dieses Motiv tatsächlich nachzuweisen, dürfte für die Staatsanwaltschaft im Prozess um den Tod der jungen Frau die Herausforderung sein.

Angeklagter bestreitet eine sexuell motivierte Tat

Zu Beginn des Prozesses am Montagmorgen verlas die Verteidigung eine Erklärung des Angeklagten. Er wolle umfassend aussagen und zur Klärung des Tathergangs beitragen. Der Lkw-Fahrer entschuldigte sich bei der Familie des Opfers. Er bereue, dass er die Tat anfangs abgestritten habe und nicht die Kraft für ein Geständnis gehabt habe. Der Angeklagte bestreitet allerdings, dass es eine sexuell motivierte Tat gewesen sei. Er habe sich nicht an Sophia L. vergangen und sei auch nicht "sexuell übergriffig" geworden. Die Tat habe sich auf dem Rastplatz Sperbes ereignet, nachdem er von der Toilette wiedergekommen und festgestellt habe, dass die Studentin versucht habe, ihn zu bestehlen. Es sei dann zu einem heftigen Streit und wechselseitigen Vorwürfen gekommen, in dessen Verlauf ihn Sophia L. ins Gesicht geschlagen habe. Daraufhin habe er, so der Angeklagte, in einem Wutanfall die Studentin mit einem Radmutternschlüssel attackiert, mit dem er zuvor den Zustand der Reifen an seinem Fahrzeug überprüft hatte.

Die Eltern der Studentin und ihr Bruder treten in dem Prozess als Nebenkläger auf. Nachdem die Tat aufgedeckt wurde, äußerten Familie und Freunde der Studentin Kritik an der Polizei. Die Ermittler hätten nach dem Verschwinden von Sophia nicht schnell genug reagiert und seien nicht sofort von einem Verbrechen ausgegangen.

Der Bruder Andreas L. sagte vor dem Prozess: "Wir erwarten, dass die Wahrheit ans Tageslicht kommt. Als Angehöriger will man sie wissen, auch wenn sie noch so grausam ist."

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