Tourismus:Die Stadt mit der Waffel

Die Ruhrgebiets-Stadt Gelsenkirchen möchte mit einer neuen Kampagne ihr Image verbessern.

Von Bernd Dörries, Düsseldorf

"An Gelsenkirchen kommt man in diesen Tagen nicht vorbei", so sagen es die Marketingleute von Gelsenkirchen, einer Stadt, die unter dem Problem leidet, dass normalerweise nicht so viele Leute dort vorbeikommen, worunter sie ein wenig leiden im Herz des Ruhrgebiets. In den Rankings, in denen die lebenswertesten Großstädte des Landes aufgezählt werden, belegt Gelsenkirchen regelmäßig einen der hintersten Plätze, sehr oft den letzten, dazu trug man lange den Titel der Schuldenhauptstadt. Es ist nicht schön, die rote Laterne des Landes zu sein, ein Ort, mit dem die Leute außerhalb Gelsenkirchens nicht viel mehr verbinden als Schalke 04. Jahrelang hat die Stadt ihr Image im stillen Schmerz ertragen, nun geht sie in die Offensive: In 14 deutschen Großstädten, in Zeitschriften und im Netz will die Stadt zeigen, dass sie mehr zu bieten hat, als viele vermuten; dass sie die Heimat großer Unternehmen ist. Die haben ein Drittel der etwa halben Million Euro bezahlt, die die Kampagne kostet. "Ohne uns schmeckt der Sommer nur halb so gut", wirbt jetzt ein Eiswaffelhersteller aus Gelsenkirchen. "In Gelsenkirchen hat sich in den vergangenen Jahren unglaublich viel getan, nur wissen es nur wenige", sagt Wirtschaftsförderer Christopher Schmitt.

Fast alle Bundesländer sehen sich selbst attraktiver, als die Außenwelt sie sieht

Die Diskrepanz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung ist das Problem erstaunlich vieler deutscher Städte und Länder. Früher war der Föderalismus einmal hauptsächlich ein Wettbewerb der politischen Ideen, heute kann man den Eindruck gewinnen, dass nicht mehr die Ideen konkurrieren, sondern verschiedene Imagekampagnen gegeneinander antreten in den Städten und Regionen.

Die Bundesländer kämpfen mit speziellen Kampagnen um Studenten, Touristen, Investoren und für ein besseres Image. Fast alle sehen sich selbst attraktiver, als die Außenwelt sie sieht. Als richtungsweisend gilt allen Werbeagenturen und Standortexperten die Kampagne Baden-Württembergs, das seit 1999 mit dem Motto: "Wir können alles. Außer Hochdeutsch" für sich Stimmung macht. Die Nachahmer waren meist weniger erfolgreich. "Das ist Thüringen", suchte sich die Landesregierung in Erfurt 2011 als Botschaft aus und musste die Kampagne auch gleich wieder runterfahren, als klar wurde, dass Thüringen im Jahr 2011 vor allem als Heimat des NSU galt. Ähnliches widerfährt derzeit Sachsen, das seine millionenschwere Werbereihe "So geht sächsisch" derzeit zurückhält, zu der auch Werbung in New York und London gehörten. Auch dort wird das Bundesland derzeit eher mit Pegida in Verbindung gebracht als mit den schönen Seiten des Landes. Die Regierung will nun überlegen, wie man der "aktuellen Situation Rechnung trägt". Darüber, ob Imagekampagnen überhaupt verfangen, gibt es nur wenige Angaben. Sachsen-Anhalt stoppte seine Werbung "Wir stehen früher auf", nachdem klar wurde, dass die meisten Bürger des Landes es für keine große Errungenschaft hielten, täglich zeitig aus dem Bett zu müssen, um aus einer strukturschwachen Region über lange Pendlerwege zum Arbeitsplatz zu kommen. Und jüngere Leute konnten dem Frühaufstehen offenbar generell nichts abgewinnen.

Die Werbung von Gelsenkirchen hat bisher in der Stadt zu einer positiveren Stimmung beigetragen, man ist aus der Defensive gekommen, wie man im Fußball sagen würde. Nur in Lippe wird man die neue Kampagne nicht gut finden. Der wirtschaftlich starke Kreis wirbt schon lange etwas eigenwillig so für sich: "Lippe liegt am A . . . der Welt, aber hier riecht es besser als im Ruhrgebiet."

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