Süddeutsche Zeitung

Toter Junge auf Amrum geborgen:Spuren führten zum "Piratenschiff"

Er wollte am Nachmittag nur noch einmal am Klettergerüst "Piratenschiff" spielen - danach war Sebastian verschwunden. Nach Tagen der Ungewissheit fanden Rettungskräfte den leblosen Körper des Zehnjährigen am Strand. Zeugen hatten den entscheidenden Hinweis gegeben.

Ralf Wiegand

Das ganze Land schien zuletzt Anteil zu nehmen an der Suche nach Sebastian. Fast im Stundentakt veröffentlichte die Polizei neue Hinweise im Internet, bat Urlauber um Fotos, auf denen der Zehnjährige zu sehen sein könnte, postete selbst Bilder in alle Welt. Vielleicht war er irgendwie aufs Festland gekommen.

Sebastian trug auf den Fotos eine blaue Fleecejacke und ein buntes T-Shirt. So war er gekleidet, als er am Sonntagabend nicht vom Spielen am Strand der Nordseeinsel Amrum zurückgekehrt war ins Ferienhaus der Familie, nur ein paar Hundert Meter vom Klettergerüst "Piratenschiff" am Strand entfernt, wo er am Nachmittag noch einmal hatte spielen wollen. Dutzende Beamte suchten nach dem Urlauberkind aus Wien, fast in Echtzeit konnte man das im Internet verfolgen: "Suche nach vermisstem Jungen dauert an", hießen die Updates; immer gleich. Doch Sebastians blieb unauffindbar.

Am Mittwoch um 15.04 Uhr fasste der Pressesprecher der Polizeidirektion Flensburg, Matthias Glamann, dann die ganze Machtlosigkeit der Beamten in einen Satz: "Wir teilen mit, dass der Leichnam eines Kindes von Such- und Rettungskräften tot am Strand aufgefunden wurde." So etwas schreibt man, wenn man ermattet ist davon, dass solche Geschichten nie gut ausgehen.

Sebastian lag tief im Sand vergraben, nahe beim Piratenschiff, wo er zuletzt gespielt hatte. Auf einem Foto, das Passanten aufgenommen hatten, sei "ein zur Tatzeit und Personenbeschreibung passender Junge im Sand grabend abgelichtet" zu sehen gewesen, teilte die Polizei mit. Womöglich, schloss ein Sprecher, sei Sebastian beim Graben im Sand Opfer eines Unfalls geworden. Nähere Angaben will die Polizei am Donnerstag machen.

Suchtrupps gruben eineinhalb Meter tief

Sebastian wurde dort gefunden, wo sich am Dienstag seine Spur im Sande verlaufen hatte: beim Piratenschiff. Vom Ferienhaus bis dorthin hatten Polizeihunde seiner Fährte folgen können, dann riss der Kontakt ab. Der Wind könnte die Spuren weggeweht haben, spekulierte die Polizei da noch und orderte neue Beamte vom Festland, um auch Kanalisation, Keller, jeden Unterstand abzusuchen. Hubschrauber kreisten, drei Teams des DLRG suchten die Ufer ab, obwohl der Strand von Amrum sogar für Kleinkinder sicher ist. Ertrinken, sagten die DLRGler, könne man da nicht, zumal war Niedrigwasser war zur Zeit seines Verschwindens.

Die Polizisten sprachen mit jedem Kind, das zu Sebastian am Sonntag Kontakt hatte und das sich bei ihnen meldete, Lukas etwa, aber der war schon um 17 Uhr zu Hause. Da brach Sebastian erst noch einmal auf zum Klettergerüst am Strand, er hatte seine Eltern gebeten. Als er um sechs nicht heimkam, suchten sie ihren Sohn. Und fanden ihn nicht.

Am Mittwoch dann gingen die Suchtrupps einer neuen Spur nach. Durch Zeugen erfuhren sie, dass Sebastian zuletzt gesehen wurde, als er beim Piratenschiff im Sand buddelte. Das entsprechende Foto war, so der Polizeisprecher, "der Auslöser für die intensive Suche im Sand am Piratenschiff". Hinter einer blauen Plane gruben die Beamten eineinhalb Meter tief - bis sie fündig wurden.

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Quelle:
SZ vom 05.07.2012/vks
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