Tote Jugendliche in Franken:Tödliche Energie

Six teenagers found dead in garden, Arnstein, Germany - 30 Jan 2017

Die Gartenhütte im Wald in Franken, in der die sechs Jugendlichen ums Leben kamen.

(Foto: EPA)

Ein Stromaggregat soll die sechs jungen Erwachsenen im unterfränkischen Arnstein das Leben gekostet haben. Es hätte im Innenraum der Hütte nicht betrieben werden dürfen.

Von Christian Endt und Claudia Henzler

Am Ende dieser Tragödie steht ein kühler Behördentext. "Aufgrund der intensiv geführten gemeinsamen Ermittlungen der Kripo Würzburg und der Staatsanwaltschaft gehen die Ermittler inzwischen davon aus, dass das Kohlenmonoxid von einem in dem Gartenhaus betriebenen Stromaggregat ausgestoßen wurde." Das "mit Benzin betriebene betroffene Gerät", welches den Tod von "sechs Heranwachsenden" mitverursacht habe, "wurde sichergestellt". Ende der Pressemitteilung.

Ein Stromaggregat also. Wer seine Jugend auf dem Land verbracht hat, der kennt diese knatternden, eckigen Kästen, ohne die kaum eine Hüttenparty möglich wäre, tief im Wald. Ohne Stromaggregat kein Licht, keine kalten Getränke, keine laute Musik. Die mit Benzin oder Diesel betriebenen Maschinen, von denen es in jedem größeren Baumarkt mehrere zur Auswahl gibt, sind das Herz jeder Feier ohne Stromanschluss. Und meist stehen die Geräte draußen im Garten oder in einem gut gelüfteten Nebenraum, damit weder ihr Knattern noch ihre giftigen Abgase die Partygäste stören.

Der Apparat, der am vergangenen Samstag die sechs Jugendlichen im unterfränkischen Arnstein das Leben gekostet hat, befindet sich mittlerweile beim Landeskriminalamt. Sicher sei, dass dieses Gerät "nicht in Innenräumen betrieben" hätte werden dürfen, so heißt es in der Erklärung der Staatsanwaltschaft. Nun müsse geklärt werden, "wer für das Aufstellen, die Installation und die Inbetriebnahme" verantwortlich war. Mit anderen Worten: Es wird derjenige gesucht, der die Schuld an der tödlichen Kohlenmonoxidvergiftung von fünf jungen Männern und einer jungen Frau im Alter von 18 und 19 Jahren trägt. "Inwieweit wir da weiterkommen, ist offen", sagt ein Polizeisprecher.

648 Menschen sind laut Statistischem Bundesamt in Deutschland im Jahr 2015 durch eine Vergiftung mit Kohlenmonoxid (CO) gestorben. Viele von ihnen erstickten während eines Brandes. Nur bei 40 Verstorbenen gehen die Behörden von einem Unfall aus - das macht den Fall Arnstein so außergewöhnlich. Nicht immer stammt das tödliche Gas aus einem Stromaggregat. Auch Holzkohlegrills, Gasthermen und Kaminöfen erzeugen Kohlenmonoxid und können bei schlechter Belüftung gefährlich werden.

Wer hat das Gerät dort aufgestellt? Die jungen Leute selber?

Der Toxikologe Guido Kaiser von der Universität Göttingen glaubt, dass viele CO-Vergiftungen nie als solche erkannt werden. "Es reichen auch niedrige Konzentrationen aus, wenn sich eine Person lange im Raum aufhält. Die Betroffenen schlafen ein, werden bewusstlos und wachen nie wieder auf." Kohlenmonoxid sei besonders tückisch, sagt Kaiser, weil man es nicht sieht, nicht riecht und nicht schmeckt.

Doch welches Gerät genau stand in der Arnsteiner Gartenhütte? Bei der Polizei erfährt man es nicht. Die Maschine sei zumindest noch nicht alt gewesen, das ist zu hören. Ein bisschen klingt das wie: Am Aggregat lag es ja ohnehin nicht. Man hätte es nur einfach nicht mitten in der Hütte anwerfen dürfen. Wer hat den Generator dort aufgestellt? Die jungen Leute selber? Sie alle standen am Anfang ihres Berufslebens. Oder ein Erwachsener, der nun damit rechnen muss, dass gegen ihn ein Verfahren eingeleitet wird? Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Würzburg sagt: "Jetzt müssen wir erst mal klären, wie das Ganze vonstatten gegangen ist, bevor wir irgendwelche Schuldzuweisungen machen."

Der letzte, nicht ganz vergleichbare Unglücksfall in Deutschland liegt nicht lange zurück. Es war am Abend des 29. Dezember 2016, als ein 54 Jahre alter Mann im Keller seines Hauses im thüringischen Probstzella etwas Benzin nachgießen wollte und nicht mehr zu seiner Lebensgefährtin in die Wohnung zurückkehrte. Die Frau fand ihn gerade noch rechtzeitig, er war ohnmächtig und konnte vom Rettungsdienst mit Sauerstoff behandelt werden.

Wie oft hierzulande Stromaggregate CO-Vergiftungen verursachen, dazu gibt es keine verlässlichen Daten. In den USA veröffentlichte die Consumer Product Safety Commission eine Studie, wonach zwischen 2004 und 2013 insgesamt 808 Menschen an den Abgasen von Aggregaten erstickten. Besonders viele Todesfälle gibt es nach Naturkatastrophen wie schweren Stürmen - wenn also die reguläre Stromversorgung ausfällt. In Ländern ohne zuverlässiges Elektrizitätsnetz dürfte die Zahl der Opfer deutlich höher liegen.

Am Sonntagvormittag hatte der Vater des Mädchens, das seinen Geburtstag zusammen mit fünf Jungs gefeiert hatte, die Toten gefunden. Unter den Opfern war auch sein Sohn. Dem Vater gehört die Gartenhütte. Es ist ein Drama, das die kleine Stadt Arnstein derzeit aufwühlt. "Aufgrund der aktuellen Ereignisse" sei die für diesen Freitag geplante Männersitzung abgesagt worden, heißt es beim örtlichen Karnevalsverein. Auch die Kindersitzung werde verschoben.

Nun findet am Sonntag ein ökumenischer Gedenkgottesdienst in der Wallfahrtskirche Maria Sondheim statt. Eine Woche nach dem Unglück, das in Arnstein alles veränderte.

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