Süddeutsche Zeitung

Tote Flüchtlinge in Österreich:59 Männer, acht Frauen, vier Kinder

Lesezeit: 2 Min.

Mehr Tote als angenommen

Nach dem Fund eines Lastwagens mit zahlreichen Toten hat die österreichische Polizei am Vormittag weitere Ermittlungsergebnisse präsentiert. Demnach sind im Laderaum des Lkw 71 Tote gefunden worden. Ein Reisedokument lasse darauf schließen, dass es sich zumindest zu einem Teil um Flüchtlinge aus Syrien handle, sagte Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil - um 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder. Eines der Kinder, ein Mädchen, sei erst vier Jahre alt gewesen, die drei Jungen im Alter zwischen acht und zehn Jahren.

Zur Todesursache konnten noch keine Angaben gemacht werden. Eine erste Untersuchung des Lastwagens lässt aber darauf schließen, dass die Menschen erstickt sein könnten und mindestens 24 Stunden tot waren, ehe die Polizei eintraf. Spuren am Äußeren des Wagens könnten auf einen Unfall hindeuten. Ein Experte soll klären, ob es auch Spuren im Inneren gibt, die auf Befreiungsversuche hindeuten könnten. Dies könnte einen weiteren Hinweis auf Todeszeitpunkt und Todesursache geben.

Hintergrund: Lastwagen voller Leichen an der Autobahn entdeckt

Mitarbeiter des Autobahn-Streckendienstes hatten den 7,5 Tonnen schweren Lkw am Donnerstag in einer Pannenbucht der Autobahn bei Parndorf im Bezirk Neusiedl am See entdeckt. Aus dem Laderaum drang Verwesungsflüssigkeit.

Der Wagen fuhr den Ermittlungen zufolge am frühen Mittwochmorgen in Ungarn los, östlich der Hauptstadt Budapest. Am frühen Donnerstagvormittag befand er sich vor der österreichischen Grenze und fuhr im Laufe des Tages Richtung Neusiedl im Burgenland, wo er abgestellt wurde.

Auf die Frage, warum der Kühllaster auf der von Schleppern vielbefahrenen "Balkanroute" nicht kontrolliert wurde, antwortete Doskozil bereits gestern: "Hier passieren täglich 3000 Lkws, eine lückenlose Kontrolle ist nicht möglich."

Schlepper festgenommen

Drei Männer sind bereits gefasst. Dabei soll es sich Doskozil zufolge um den bulgarisch-libanesischen Halter des Fahrzeugs sowie um die beiden Lenker aus Bulgarien beziehungsweise Ungarn handeln. Eine groß angelegte Fahndung habe zu den Festnahmen der Männer in Ungarn geführt. Man habe es höchstwahrscheinlich mit einem südosteuropäischen Schlepperring zu tun, sagte der Polizeichef. Bei den Festgenommenen handle es sich wahrscheinlich nur um die untersten Glieder der Kette.

Der Lkw wurde in eine ehemalige veterinärmedizinische Anstalt gebracht, wo eine entsprechende Kühlung vorhanden sei, hieß es von den Ermittlern. In der Nacht zum Freitag wurden die Leichen geborgen. Jetzt sollen sie in die Wiener Gerichtsmedizin gebracht werden.

Im an Ungarn grenzenden Burgenland wurden allein in den vergangenen beiden Tagen Hunderte Flüchtlinge aufgegriffen, sagte Doskozil. In den kommenden Tagen sei wegen der nahenden Fertigstellung des ungarischen Grenzzauns zudem mit einer Verschärfung der Schlepperproblematik zu rechnen. Österreich verzeichnete zuletzt stark gestiegene Flüchtlingszahlen. Viele von ihnen durchqueren das Land vom Balkan in Richtung Deutschland.

Innenministerin fordert legale Wege für Flüchtlinge

Die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner lobte am Freitag die Arbeit der Einsatzkräfte und die Zusammenarbeit mit den ausländischen Behörden. Sie betonte abermals, dass es sich bei den Schleppern um Kriminelle handele. Entgegen ihrer Aussage vom Donnerstag, möglichst schnell die Grenzkontrollen zu verschärfen, sagte Mikl-Leiter, es sei wichtig, aus den Krisen- und Kriegsregionen der Welt "schnell legale Wege nach Europa zu schaffen".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen für 0,99 € zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2624860
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/dpa/fued/feko
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.