Tornados in den USA:Vom Sturm zermalmt

Tornados in den USA: Vor allem in Kentucky hat der Tornado ganze Landstriche dem Erdboden gleichgemacht.

Vor allem in Kentucky hat der Tornado ganze Landstriche dem Erdboden gleichgemacht.

(Foto: Greg Eans/AP)

Mehrere Tornados haben in den USA eine gigantische Verwüstung angerichtet. Über ein extrem seltenes Wetterphänomen im Dezember - und wie es entstanden ist.

Von Moritz Geier und Marlene Weiß

"Dann haben wir uns komisch gefühlt", sagt Kyanna Parsons-Perez. "Da war ein riesiger Druck auf meinen Ohren, und plötzlich wurde das ganze Gebäude durchgeschüttelt, hin und her, und dann - boom - ist alles zusammengestürzt." Kyanna Parsons-Perez erzählt CNN ihre Geschichte am Telefon, ihre Stimme zittert, die Nahtoderfahrung hat Spuren hinterlassen. Die US-Amerikanerin ist eine von 40 Personen, die Rettungskräfte aus den Trümmern einer zerstörten Kerzenfabrik gezogen haben, in Mayfield im Bundesstaat Kentucky. Etwa 110 Menschen waren im Gebäude. "Es wäre ein Wunder, wenn noch irgendwer hier lebend gefunden wird", hat Gouverneur Andy Beshear gesagt. Und wenn man die Aufnahmen der Drohne sieht, die CNN über den Unglücksort hat kreisen lassen, dann versteht man, was er meint. Autowracks. Metallschrott. Zerknäulter Stahl. Ein Trümmerfeld, vom Sturm zermalmt.

Mehrere Tornados haben am Wochenende in den USA eine gigantische Verwüstung angerichtet. CNN berichtete von mehr als 30 Tornados in sechs Bundesstaaten, neben Kentucky trafen die Stürme Mississippi, Missouri, Tennessee, Illinois und Arkansas. Der New York Times zufolge sind allein in Kentucky mindestens 70 Menschen ums Leben gekommen.

Tornados in den USA: In Mayfield in Kentucky hat der Sturm eine Schneise der Verwüstung hinterlassen.

In Mayfield in Kentucky hat der Sturm eine Schneise der Verwüstung hinterlassen.

(Foto: Mark Humphrey/AP)

In Kentucky hat der Sturm besonders stark gewütet. Die Nacht zu Samstag sei "eine der härtesten" in der Geschichte des Bundesstaats gewesen, sagte Gouverneur Beshear. Die Stürme hinterließen eine Schneise der Verwüstung. "Alles in ihrem Pfad ist weg. Häuser, Geschäfte, Regierungsgebäude - einfach weg." Als der Gouverneur vom Heimatort seines Vaters erzählte, Dawson Springs, versagte ihm beinahe die Stimme. US-Präsident Joe Biden zeigte sich bestürzt über die Zerstörungen und sagte den betroffenen Bundesstaaten am Samstag Hilfe zu.

Normalerweise ist die Tornado-Saison in den USA eher von März bis Juni, in dieser Zeit sind die Bedingungen in der Atmosphäre am häufigsten so, dass Windhosen entstehen können. Dass im Dezember ein solcher Tornado-Schwarm auftritt, ist ungewöhnlich. Noch steht die finale Bewertung der Behörden aus, aber US-Meteorologen vermuten, dass unter den Tornados solche in den höchsten Kategorien EF3, EF4 oder sogar EF5 der für Tornados verwendeten "Enhanced Fujita Scale" waren.

Spielt der Klimawandel eine Rolle?

Einer der höchsten Kategorien dürfte insbesondere die Windhose angehören, die Mayfield in Kentucky zerstörte, wo es auch die Kerzenfabrik traf. Trümmerteile wurden elf Kilometer hoch in die Luft geschleudert. Wenn sich die ersten Beobachtungen bestätigen, raste dieser Tornado über eine Strecke von mehr als 370 Kilometern durch vier Bundesstaaten, das wäre die längste Tornado-Schneise seit Beginn der Aufzeichnungen.

Noch ist unklar, wie sich der Klimawandel auf die Häufigkeit und Intensität von Tornados auswirkt. Zwar liefert die wärmere Luft, die mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann, immer mehr der Energie, die solche Ereignisse antreibt. Andererseits könnte die Erwärmung dazu führen, dass die sogenannte Windscherung abnimmt, also unterschiedliche Windrichtungen in höheren und tieferen Luftschichten, ohne die Tornados sich nicht bilden können. Eine klare Zu- oder Abnahme extremer Tornados ist in den USA bislang nicht zu beobachten, was allerdings auch daran liegen könnte, dass sie schwer systematisch zu erfassen sind. Ein EF5-Tornado wurde in den USA seit acht Jahren nicht beobachtet, das ist die längste derartige Lücke seit Beginn der Aufzeichnungen in den 1950-Jahren. Es gibt jedoch Hinweise, dass die Häufigkeit von Tornados in der nun betroffenen Region um das Mississippi-Tal zunimmt.

In diesem Fall kamen alle Voraussetzungen für heftige Tornados zusammen: Die große Temperaturdifferenz zwischen dem Norden und dem Südosten der USA, mit Minusgraden in Minnesota und mehr als 25 Grad Celsius in Tennessee, produzierte eine Front, an der warme und kalte Luftmassen mit Wucht aufeinandertrafen. Hinzu kam eine deutliche Windscherung. Auch das seit dem Herbst weltweit vorherrschende Klimaphänomen La Niña könnte diese Lage befördert haben, das Gegenstück zu El Niño. In La-Niña-Jahren treiben die Passatwinde warmes Wasser verstärkt über den Pazifik nach Westen; in den USA wird der Winter dadurch im Norden kälter, im Süden wärmer. In La-Niña-Jahren treten Wintertornados im Südosten der USA offenbar häufiger auf, wie Forscher vor einigen Jahren in Nature Geoscience berichteten.

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