Todesurteil vor 60 Jahren:"Er faltete die Hände und weinte leise vor sich hin"

Vor 60 Jahren ließ ein westdeutsches Gericht zum letzten Mal ein Todesurteil vollstrecken - eine Entscheidung gegen die damals vorherrschende Meinung.

Ralf Husemann

Die Reaktion von Richard Schuh, als ihm Oberstaatsanwalt Richard Krauß mitteilte, sein Gnadengesuch sei abgelehnt, wurde im Protokoll festgehalten: "Der Verurteilte erschrak in starkem Maße. Er faltete die Hände und weinte leise vor sich hin."

Todesurteil vor 60 Jahren: Auf dieser Guillotine, die jetzt eines der Exponate des Strafvollzugsmuseums in Ludwigsburg ist, wurde am 18. Februar 1949 Richard Schuh hingerichtet.

Auf dieser Guillotine, die jetzt eines der Exponate des Strafvollzugsmuseums in Ludwigsburg ist, wurde am 18. Februar 1949 Richard Schuh hingerichtet.

(Foto: Foto: dpa/picture-alliance)

Schuh hatte am 28. Januar 1948 einen Lastwagenfahrer mit seiner Wehrmachtspistole erschossen und dann mit zwei Helfern die noch fast neuen Reifen abmontiert, um sie auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Wegen dieses Mordes wurde Schuh zum Tode verurteilt.

Am 18. Februar 1949, also an diesem Mittwoch vor 60 Jahren, war die letzte Stunde des 27-Jährigen gekommen. Im Gefängnishof des Tübinger Landgerichts wurde er um sechs Uhr auf dem Schafott hingerichtet. Es war das letzte Mal, dass in Westdeutschland aufgrund des Urteils eines Zivilgerichts eine Todesstrafe vollstreckt wurde.

Nur acht Tage zuvor hatte Carlo Schmid - später eine der wichtigsten Gestalten der Sozialdemokratie - als Justizminister von Württemberg-Hohenzollern im Parlamentarischen Rat gefordert, "man sollte mit dem Töten von Amts wegen ein Ende machen".

Eine solche Meinung war kurz nach dem Krieg alles andere als selbstverständlich. Nach den damaligen Feststellungen des Meinungsforschungsinstituts Allensbach war eine Zweidrittelmehrheit der Bundesbürger für die Todesstrafe, eine Fachzeitschrift fand unter den Juristen sogar 83 Prozent Befürworter.

Das war nicht verwunderlich, denn die meisten Juristen waren NSDAP-Mitglied gewesen, und viele hatten an Todesurteilen selbst mitgewirkt. Abgesehen von den Massenmorden der Militärjustiz ließen allein die zivilen Strafgerichte im Dritten Reich etwa 16.000 Menschen hinrichten.

Gerade im Hinblick auf die Verbrechen in der Nazizeit beschloss der Parlamentarische Rat, dass in der künftigen Verfassung der Verzicht auf die Todesstrafe verankert werden müsse. Artikel 102 des am 24.Mai 1949 in Kraft tretenden Grundgesetzes lautet seitdem: "Die Todesstrafe ist abgeschafft."

In West-Berlin, für das aufgrund des Viermächtestatus das Grundgesetz nur eingeschränkt galt, wurde die Todesstrafe 1951 abgeschafft, strenggenommen sogar erst am 14. März 1989. Bis dahin konnten - zumindest theoretisch - die Alliierten noch Todesurteile aussprechen.

Bis Anfang der fünfziger Jahre hatten die West-Alliierten 486 Todesurteile gegen NS-Täter vollstrecken lassen. Der letzte West-Berliner, der - am 12.Mai 1949 - nach dem Spruch eines deutschen Gerichts hingerichtet wurde, war der Raubmörder Berthold Wehmeyer. In der DDR galt die Todesstrafe sogar noch bis zum 17.Juli 1987.

Bis dahin waren 211 Verurteilte durch die "Fallschwertmaschine" oder durch Erschießen liquidiert worden. Der Letzte war der Stasi-Hauptmann Werner Teske, der als verurteilter Spion am 26. Juni 1981 in Leipzig starb - durch einen "Nahschuss in das Hinterhaupt", wie es das Strafgesetzbuch der DDR seit 1968 vorschrieb.

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