Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Bester Dinge":Geistreiches Gestein

Ein bedeutender japanischer Fels bricht entzwei, nun läuft einem Aberglauben zufolge eine Dämonin frei herum. Zumindest für eines der beiden Probleme gibt es eine pragmatische Lösung.

Von Violetta Simon

Es gibt Dinge, die sollte man lieber nicht zerbrechen. Spiegel zum Beispiel: sieben Jahre Pech. Oder sich den eigenen Kopf, meist liegt die Lösung auf der Hand. Ganz oben auf dieser Liste steht ein Fels namens Sessho-Seki, der sich nahe der japanischen Vulkanberge von Nasu befindet. Der japanischen Mythologie zufolge birgt er seit fast 1000 Jahren die neunschwänzige Fuchsdämonin Tamamo-no-Mae, die im Jahr 1100 versucht haben soll, Kaiser Toba zu töten. Dass der Fels als Todesstein bezeichnet wird, sagt alles: Wer ihn berührt, so die Legende, stirbt.

Und da haben wir auch schon die Bescherung, denn dieser Sessho-Seki ist nun tatsächlich in zwei Hälften gebrochen. Die Dämonin, so der Aberglaube, ist also auf freiem Fuß. Man kann sich vorstellen, wie gereizt die Gute sein dürfte, wenn sie sich nach einem Jahrtausend inmitten übel riechender Schwefelquellen und Vulkangestein dort wiederfindet und merkt, was sie verpasst hat: Dschingis Khan, Katharina die Große, Französische Revolution, Mondlandung und Feminismus, Penicillin, Antibabypille und Internet, mindestens.

Viel beunruhigender als einen entfleuchten bösen Geist finden die zuständigen Behörden jedoch den Imageschaden: "Es ist eine Schande, weil es ein Symbol für die Gegend ist", klagt der Vorsitzende der örtlichen Fremdenverkehrsorganisation. Nun, wenn's weiter nichts ist: Während Tamamo-no-Mae im Todesstein ruhte, wurden, neben Geisterjagd-Apps, weitere nützliche Dinge erfunden: Sekunden- oder Steinkleber etwa. Wer weiß, womöglich erweist sich das Zusammenkleben der beiden Steinhälften als die geistreichste Methode im Reich der Geister.

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