Süddeutsche Zeitung

Amoklauf bei "Batman"-Premiere:Prozess gegen Todesschützen von Aurora beginnt

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Es gibt kaum Bilder von James Eagan Holmes. Die wenigen, die in die Öffentlichkeit gelangten, zeigen einen Mann mit riesigen Augen, die ins Nichts starren. Beobachter haben diese scheinbare Abwesenheit Holmes immer wieder thematisiert. Psychologen attestierten ihm per Ferndiagnose eine psychische Störung. Ob hinter diesen Augen ein kranker Geist wohnt oder der eines kalkulierenden Mörders, wird sich jedoch erst in den nächsten Monaten herausstellen.

Nachdem der Termin immer wieder verschoben wurde, hat am Montag der Prozess gegen James Eagan Holme begonnens. Vor fast drei Jahren stürmte er einen Kinosaal in Aurora, einem Vorort von Denver. Die Besucher wollten sich die Premiere des Batman-Films "The Dark Knight Rises" anschauen, als Holmes Rauchbomben warf und wild um sich schoss. Er tötete zwölf Menschen und verletzte 70.

Die Anklageschrift gegen den heute 27-Jährigen umfasst 166 Punkte - er muss sich wegen Mordes, Mordversuchs und Sprengstoffbesitzes verantworten. Die zentrale Frage ist, ob Holmes zum Zeitpunkt der Tat aufgrund einer psychischen Störung unzurechnungsfähig war oder genau wusste, was er tat. Davon hängt ab, ob er zum Tode verurteilt wird oder den Rest seines Lebens in einer Psychiatrie verbringt.

Staatsanwalt geht von klugem Täter aus

Während die Staatsanwaltschaft das Bild eines klugen Täters zeichnete, der das Blutbad sorgfältig plante, betonten seine Verteidiger die psychischen Probleme, mit denen Holmes zum Zeitpunkt der Tat kämpfte. Der heute 27-Jährige, der von seinen Verteidigern und Eltern begleitet wurde, saß ruhig im Gerichtssaal. Er sah mit Hemd, Brille und kurzen Haaren gepflegter aus als nach der Tat, als er mit zerzausten, orange gefärbten Haaren erschienen war.

"Er hat versucht, alle Menschen in einem Kino zu ermorden, um sich besser zu fühlen und weil er dachte, es würde sein Selbstwertgefühl steigern", sagte Staatsanwalt George Brauchler in seinem emotionalen, zweistündigen Eröffnungsplädoyer am Montag. Brauchler zeichnete das Bild eines intelligenten Täters, der die Tat sorgfältig geplant habe. Einen Tag vor der Tat habe er seiner Therapeutin in einer E-Mail gestanden, sein Leben lang von der Tötung von Menschen "besessen" gewesen zu sein. "Dieser Typ war gesund, als er versuchte, all diese Menschen in dem Kino zu ermorden."

"Nicht schuldig wegen Unzurechnungsfähigkeit"

"Sein Verstand wurde von einer Krankheit überwältigt, die ihn seit Jahren geplagt hatte", sagte dagegen Verteidiger Daniel King. Nach einer Psychose habe Holmes an Schizophrenie gelitten und deshalb nicht die Kontrolle über sein Handeln gehabt. "Seine Wahrnehmung der Realität war so verzerrt, so missgebildet, dass er nicht länger in der Welt lebte, in der wir leben, in derselben Realität." Holmes habe keine Wahl gehabt. "Dies ist nicht die bewusste Entscheidung eines rationalen Verstands, hier geht es um eine Krankheit des Gehirns."

Holmes hat die Taten gestanden, aber in allen 166 Anklagepunkten auf "nicht schuldig wegen Unzurechnungsfähigkeit" plädiert.

24-köpfige Jury muss entscheiden

Das Gericht in Centennial, einem Vorort von Denver, hatte vor dem Prozessbeginn über mehrere Monate aus einer Gruppe von rund 9000 Kandidaten die 24-köpfige Jury zusammengestellt, die aus 19 Frauen und fünf Männern besteht. Sofern sie ihn für schuldig bekennen, müssen sie anschließend entscheiden, ob er wie von der Staatsanwaltschaft gefordert mit dem Tod bestraft werden soll. Setzt sich die Verteidigung durch, würde er wohl in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.

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