Süddeutsche Zeitung

Tod von Tuğçe in Offenbach:So sollen McDonald's-Mitarbeiter mit Pöblern umgehen

Lesezeit: 3 Min.

Zwei Dutzend Fälle von Gewalt gab es laut McDonald's dieses Jahr in den deutschen Filialen - einer endete mit dem Tod der Studentin Tuğçe. Wie bereitet die Kette ihre Mitarbeiter auf Eskalationen mit Gästen vor?

Von Jannis Brühl, Offenbach, und Jana Stegemann

Es ist ein Ort, der wenig Leben ausstrahlt. Ein Industriegebiet am Rande Offenbachs. Zwischen einem Baumarkt der insolventen Praktiker-Kette, einem Autohändler und einem Fitnessstudio liegt die McDonald's-Filiale, auf deren Parkplatz Tuğçe A. niedergeschlagen wurde. Zwei Wochen später ist sie tot.

Die Lichter, die normalerweise das Logo erhellen, waren hier am vergangenen Freitag gedimmt. Ein rotes Kunststoff-Herz, weiße Rosen, eine Handvoll Kerzen: Ein kleines Mahnmal an der Einfahrt erinnerte daran, was hier geschah. Während in der Innenstadt 1500 Menschen der Toten gedachten, blieb das Schnellrestaurant für die Nacht geschlossen. Aus Respekt vor Tuğçe, verkündet ein Zettel an der Tür. Drinnen, hinter verschlossenen Türen, besprechen sich in dieser Nacht einige Mitarbeiter. Auch ihre Rolle in der Tatnacht wird öffentlich diskutiert. Hätten Sie mehr tun können für Tuğçe A.?

McDonald's hat SZ.de genauere Auskunft über den Vorfall aus Sicht des Unternehmens und seiner Mitarbeiter gegeben.

Die Vorwürfe an die McDonald's-Mitarbeiter

Nach der Tat war insbesondere im Umfeld von Tuğçes Familie die Frage aufgeworfen worden, inwieweit die Mitarbeiter hätten einschreiten müssen, als der 18-Jährige Täter erst im Restaurant pöbelte, dann auf die 22-jährige Studentin losging, als sie zwei Mädchen vor ihm und seinen Freunden schützen wollte. Auch hatte es mehreren Medienberichten zufolge Vorwürfe einer Freundin Tuğçes gegeben, wonach McDonald's-Mitarbeiter ihr trotz ihres Flehens Wasser nur gegen Bezahlung hätten ausgeben wollten.

Wie die McDonald's-Mitarbeiter den Abend bewerten

Die gesamte Lage zum Tatzeitpunkt, die Begleiter Tuğçes als bedrohlich skizzierten, sei für die Mitarbeiter schwer zu überblicken gewesen, heißt es in einem offiziellen Statement der Zentrale: "Die im Nachgang beschriebenen Beschimpfungen anderer Gäste in der Lobby wurden von unserer Crew auf Grund des hohen Betriebes nicht als massiv wahrgenommen. Das Restaurant ist an Wochenenden in der Nacht immer höher frequentiert, es herrscht allgemein ein höherer Lautstärkepegel vor."

Zuvor sei eine Gruppe junger Männer angesprochen und zur Ruhe ermahnt worden "nachdem diese sich über eine aus ihrer Sicht zu langen Zubereitung ihrer Bestellung beschwert hatten". Der Ermahnung und den Anweisungen der Mitarbeiter habe die Gruppe aber Folge geleistet, sagte ein Unternehmenssprecher. Deshalb hätten die Mitarbeiter keine Notwendigkeit gesehen, weitere Schritte zu ergreifen.

Es gebe nach den bisherigen Befragungen der anwesenden Fachkräfte keinen Anlass, von Fehlern einzelner Mitarbeiter auszugehen. Der Videomitschnitt der Sicherheitskamera, der den Angriff auf Tuğçe zeigt, sei den zuständigen Ermittlungsbehörden ausgehändigt worden. In der Filiale in Offenbach wird Videoüberwachung eingesetzt, weil es sich, so die Aussage der Zentrale, um einen "sicherheitssensiblen" Store handelt.

Das Notrufsystem von McDonald's

In allen deutschen Filialen gibt es seit mehreren Jahren ein Notrufsystem über das Mitarbeiter per Telefon, SMS und E-Mail Notfälle melden können. In diesem Jahr habe es in den 1480 Restaurants etwa zwei Dutzend Vorfälle gegeben, in denen es zu Eskalationen mit Gästen gekommen sei und Restaurants Hilfe angefragt hätten, teilte ein Unternehmenssprecher mit.

So sollen McDonald's-Mitarbeiter sich bei Eskalationen verhalten

Offiziellen Angaben zufolge nehmen Restaurantmanager und Schichtleiter regelmäßig an Sicherheitsschulungen, Konflikttrainings und Erste-Hilfe-Kursen teil. Der Sprecher sagte, dass Mitarbeitern in Eskalationssituationen mit Gästen folgendes Vorgehen angeraten würde: "Mitarbeiter informieren und zu mehreren den Gast ansprechen, der sich nicht adäquat verhält. Hausverbot ankündigen, sofern der Anweisung, nicht Folge geleistet wird. Sollte der Gast sein Verhalten nicht ändern, ist ein zeitlich befristetes oder unbefristetes Hausverbot auszusprechen. Parallel gilt es, die Polizei zu informieren." Außerdem solle so schnell wie möglich der hausinterne Notruf gewählt werden.

Franchise-Nehmer und Manager in den unternehmenseigenen Restaurants dürfen nach Rücksprache mit der Zentrale externes Sicherheitspersonal eines zertifizierten Unternehmens einsetzen.

Das verdienen Mitarbeiter der Systemgastronomie in Hessen

Der einfache Arbeiter verdient in Hessen 7,71 Euro brutto, Facharbeiter mit Systemkaufmann-Ausbildung 10,74 Euro. Dazu kamen in der Nacht des Angriffes 15 Prozent Nachtzuschlag. In dieser Woche verhandelt die Gastronomie-Gewerkschaft NGG mit dem Verband der Systemgastronomie darüber, ob die Mitarbeiter noch Abstriche dafür in Kauf nehmen müssen, dass der Mindestlohn eingeführt wird.

So reagiert McDonald's auf den Tod der Studentin Tuğçe

Mit einer einseitigen Zeitungsanzeige in der Bild-Zeitung hat die Restaurantkette der Familie von Tuğçe A. ihr Beileid ausgesprochen. "Wir trauern um eine außergewöhnliche Frau, die Zivilcourage gezeigt hat und dabei ihr eigenes Leben verloren hat", heißt es in der Anzeige, die in türkischer und deutscher Sprache erschien. In den Filialen arbeiteten "138 Nationen friedlich zusammen".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen für 0,99 € zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2248756
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.