Süddeutsche Zeitung

Tod im Intercity:Polizistin tötet Messerstecher

Ein Eritreer hatte auf einen Reisenden und die Beamtin eingestochen.

Von Thomas Hahn

Der Intercity 2406 von Köln erreichte Flensburg gegen 19 Uhr, und wer den Zug einfahren sah, konnte nicht ahnen, dass sich darin eine Tragödie ereignet hatte. Drinnen lag ein mutmaßlicher Messerstecher erschossen im Abteil. Getötet von einer 22-jährigen Polizistin, die den Mann offenbar nur mit ihrer Dienstwaffe hatte stoppen können. Sie selbst hatte eine schwere Stichverletzung, genauso wie ein weiterer Mann. Der Anblick muss schrecklich gewesen sein: ein Blutbad im Zug, drumherum geschockte Fahrgäste. Polizei und Rettungskräfte eilten herbei, der Bahnhof in Flensburg wurde abgesperrt, der Zugverkehr eingestellt. Erst spät am Abend löste sich die gespenstische Szenerie wieder auf, und allmählich verbreitete sich die Nachricht: Die Verletzten schwebten nicht in Lebensgefahr.

Polizei und Staatsanwaltschaft versuchen seitdem zu verstehen, was genau passiert ist in diesem IC, der Köln am Mittwoch gegen 13 Uhr verlassen hatte und lange ohne große Zwischenfälle in den Norden gefahren war. Der Zug wurde beschlagnahmt, Ermittler rekonstruieren den Hergang. Nach den ersten Zeugenbefragungen suchte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag weitere Fahrgäste, die etwas mitbekommen haben von der Auseinandersetzung. Sie sollten sich mit dem Kommissariat 1 der Flensburger Bezirkskriminalinspektion in Verbindung setzen. Einen terroristischen Hintergrund des Geschehens schlossen die Behörden aber aus.

Alles soll mit einem Streit zwischen einem 24-jährigen Mann aus Afrika und einem 35-jährigen Kölner angefangen haben, der nach Informationen der Bild-Zeitung bei Tarp, etwa 20 Kilometer vor Flensburg, eskalierte. Der Mann soll mit einem Messer auf den Kölner und die Polizistin eingestochen haben, woraufhin die Polizistin offenbar mit ihrer Dienstwaffe auf den Mann schoss. Im Polizeibericht heißt es: "Nach derzeitigem Sachstand kam es durch die Beamtin zum Schusswaffengebrauch, infolgedessen der mutmaßliche Angreifer verstarb."

Die Polizistin stammt aus Bremen, war privat unterwegs, trug aber Uniform und Einsatzausrüstung. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte am Donnerstag: "Zu dem ganz genauen Ablauf liegen noch keine Erkenntnisse vor." Auch zu der Identität des Toten wollte sie vor der Obduktion nicht viel sagen. Nach ersten Erkenntnissen soll der Mann ein Asylbewerber gewesen sein, der in Nordrhein-Westfalen gewohnt und eine befristete Aufenthaltserlaubnis für Deutschland gehabt haben soll. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur stammte er aus Eritrea und war im September 2015 als Flüchtling über Österreich nach Deutschland eingereist.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wünschte beiden Verletzten "eine hoffentlich schnelle Genesung". Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte: "Ich bin erleichtert, dass durch das beherzte Eingreifen der Bremer Beamtin mutmaßlich Schlimmeres verhindert werden konnte." Der Vorfall dürfte die Polizistin allerdings noch geraume Zeit beschäftigen. Notwehr mit tödlichem Ausgang kann Einsatzkräfte ein Leben lang belasten. Dass die Beamtin aus Notwehr geschossen hat, legen zumindest die ersten Informationen nahe.

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Quelle:
SZ vom 01.06.2018
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