Tod dreier Frühchen in Bremen:Machtlos gegen den Keim

Nach dem Tod von drei zu früh geborenen Babys in einer Bremer Klinik suchen Experten unter Hochdruck nach dem Träger des tödlichen Keims. Es ist eine Sisyphosaufgabe, denn das Bakterium kann sich überall verbergen: am Bettgestell, in der Nahrung, am Schlauch einer Infusionsflasche oder im Vorhang am Fenster.

Ralf Wiegand, Bremen

Es sei ohnehin "Medizin an der Grenze des Lebens", sagt Brigitte Kuss, die ärztliche Geschäftsführerin des Bremer Klinikums Mitte. Sie meint den Kampf darum, das Leben von Frühgeborenen zu retten, die mit einem Gewicht von weniger als 1000 Gramm zur Welt kommen. Neonatologen, so heißen die Frühchen-Experten unter den Ärzten, verringern das Sterberisiko solcher sonst chancenlosen Babys enorm. Im Bremer Klinikum Mitte überleben von diesen Kindern fast 50 Prozent - ein hoher Wert im bundesweiten Vergleich. Doch zuletzt waren die Bremer Spezialisten an der Grenze des Lebens machtlos: Ein gegen gängige Antibiotika resistenter Keim hat innerhalb von drei Monaten den Tod von drei Kindern verursacht. Jetzt ist von der Gesundheitsbehörde ein Aufnahmestopp für die Neonatologie verhängt worden; Polizei und Staatsanwaltschaft haben sich am Mittwoch eingeschaltet.

Für Ärzte und Pflegepersonal ist solch ein Fall eine außergewöhnliche Belastung. Alles und jeder, so erklärt Diethelm Hansen, Geschäftsführer des zuständigen Bremer Klinikverbundes "Gesundheit Nord" am späten Mittwochnachmittag auf einer eilig einberufenen Pressekonferenz, kann prinzipiell Träger des Keims sein. Das Bettgestell, die Nahrung, der Schlauch einer Infusionsflasche, der Vorhang am Fenster - nichts können die Bakterien-Fahnder ausschließen. Keime, auch tödliche, gehören in Krankenhäusern zur Routine. Normalerweise werden sie festgestellt und erfolgreich durch Antibiotika bekämpft. Dass drei Kinder an ein und demselben unveränderten Bakterium namens Klebsiella pneumoniae sterben, an Durchfall und Lungenentzündung, "das ist eine dramatische Situation, die außergewöhnlich ist", sagt Hansen.

Das erste der Kinder starb am 8. August, die beiden anderen am 16. und 27. Oktober. Im September habe die Klinik mit einem "differenzierten Hygieneplan" auf die ersten Infektionen reagiert. Bei 15 Kindern war der Keim, der in einem Bochumer Speziallabor identifiziert wurde, nachgewiesen worden, nicht alle erkranken daran. Nachdem zunächst keine Neuinfektionen aufgetreten seien, sagt die ärztliche Geschäftsführerin Brigitte Kuss, habe man geglaubt, die Sache im Griff zu haben: "Doch dann gab es im Oktober die zweite Welle." Nun untersucht eine Task Force des Robert-Koch-Instituts, das auch bei der Ehec-Epidemie im Sommer den tödlichen Keim in Sprossen nachgewiesen hatte, noch einmal jedes Detail in der betroffenen Abteilung. "Oft kann in solchen Fällen die Quelle aber nicht gefunden werden", sagt Hansen.

Im August 2010 waren in einer Mainzer Klinik ebenfalls drei Frühchen durch Darmkeime gestorben; damals sollen Haarrisse in einer Flasche mit Nährlösung zu einer Verunreinigung geführt haben. Online-Medien hatten am Mittwoch auch in Bremen von einer solchen Verunreinigung als möglicher Ursache für die Infektionen spekuliert, obwohl offiziell keinerlei Quelle für die tödlichen Keime identifiziert ist. Die Meldungen riefen jedoch Polizei und Staatsanwaltschaft auf den Plan, die im Krankenhaus eintrafen, während eigentlich die Presse informiert werden sollte.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: