Beim Verein Deutsches Tierschutzbüro sitzen immer noch jeden Tag zehn Mitarbeiter und sichten Schlachthof-Filme. Anonyme Tierschützer haben ihnen 600 Stunden Bildmaterial von versteckten Kameras aus einem Betrieb in Oldenburg zugespielt. Es zeigt unter anderem ausblutende Rinder, die vor der Schlachtung nicht fachgerecht betäubt wurden, und andere Tierquälereien. Öffentlichkeit und Behörden wurden vom Tierschutzbüro über dessen erste Eindrücke informiert, aber die Videos zeigen mehr. Der Tierschutzbüro-Vorsitzende Jan Peifer sagt: "Da kommt diese Woche noch was."
Versteckte Kameras haben sich zum wirksamsten Instrument der Tierschutzlobby in ihrem Kampf gegen Massentierhaltung und Schlachtindustrie entwickelt. Regelmäßig veröffentlichen Organisationen Aufnahmen, die das Grauen im Umgang mit den sogenannten Nutztieren zeigen. Erst vor wenigen Tagen hat deshalb der Betreiber eines ökozertifizierten Hofs in Brandenburg das Schlachten vorerst eingestellt. In Niedersachsen, dem produktivsten deutschen Agrarbundesland, musste zuletzt ein Betrieb in Bad Iburg nach Videoenthüllungen schließen. Jetzt beschäftigen die Aufnahmen aus Oldenburg Behörden, Lebensmittelwirtschaft und Verbraucher. Bestärkt fühlen sich die Undercover-Aktivisten durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom vergangenen Frühjahr, wonach Fernsehsender auch illegal aufgenommene Filme zeigen dürfen, wenn diese Wahrheiten von öffentlichem Interesse zeigen.
So beeindruckend ist der Kameraeinsatz, dass Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) ihn jetzt gerne vorschreiben würde. "Die Ministerin lässt derzeit juristisch prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, verbindlich ein Kamerasystem in den Bereichen der Anlieferung, des Zutriebes, der Betäubung und der Schlachtung der Schlachthöfe anzuordnen", bestätigt eine Sprecherin ihres Hauses.
Großbritannien überwacht Schlachthöfe bereits, Frankreich testet
Der Ruf nach staatlicher Videoüberwachung von Schlachthöfen ist nicht neu. Der Europäische Tierärzteverband ist zum Beispiel schon lange dafür. Susanne Mittag, Tierschutzbeauftragte der SPD, hatte schon im Mai herausgestellt, dass solche Kameras laut Rechtsgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages möglich wären. Großbritannien hat sie schon, Frankreich testet noch.
Aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium, das die Kamerapflicht einführen müsste, gab es bisher allerdings nicht viel Sympathie für die Idee. Das Haus von Ressortchefin Julia Klöckner (CDU) nennt arbeits- und datenschutzrechtliche Bedenken. Und Barbara Otte-Kinast dämpft die Erwartungen. Eine Videoüberwachung könne nur eine unvollständige Ergänzung zu den Stichprobenkontrollen der lokalen Veterinärämter sein. "Eine lückenlose Rund-um-die-Uhr-Überwachung aller tierschutzrelevanten Betriebsbereiche" sei "von den zuständigen Veterinärbehörden auch nicht zu leisten".
Das weiß Jan Peifer vom Tierschutzbüro und hält deshalb wenig von staatlicher Videoüberwachung. "Wer soll die Bilder anschauen?" Immerhin, er hätte da eine Idee; nach all der Arbeit, die sein Verein mit den Schlachthof-Filmen aus Oldenburg hatte. Peifer sagt: "Die können gerne uns anstellen."