Das Grindadráp, der Grindwalfang auf den Färöern also, ist eine wichtige, alte Tradition, sagen die einen; ein barbarisches und unnötiges Morden wehrloser Wale die anderen. Und weil Walfang per se ein stark emotionales Thema ist, hat die färöische Heavy-Metal-Band Týr jetzt Ärger mit ihren deutschen Fans. Fast alle geplanten Auftritte wurden abgesagt.
Týrs Frontmann Heri Joensen kann das überhaupt nicht verstehen. Der gebürtige Färöer kennt das Grindadráp von Kindesbeinen an: Wenn sich bei den Färöer-Inseln, auf halber Strecke zwischen Norwegen und Island, Grindwale in den engen Fjorden verirren, wird in den nahe liegenden Buchten "Grindaboð" ausgerufen: Walalarm. Vor allem die jungen Männer machen sich dann auf den Weg gen Meer, um die Säuger zu jagen. Neulich war auch Heri Joensen wieder dabei. Und alle Welt bekam das mit, weil er nach dem Grindadráp ein Foto auf Facebook veröffentlichte: Dort sieht man ihn beim Ausweiden eines Wals. "Echte Männer töten ihr Fleisch selbst, wie diesen Grindwal", schrieb er darunter.
Das Foto alarmierte Tierschützer, und die wiederum alarmierten Clubbesitzer, auf deren Bühnen Týr im Herbst auftreten sollte. Das Ergebnis: Fünf der sechs in Deutschland geplanten Auftritte wurden abgesagt, über einen wird noch entschieden. Auch ein Gig in den Niederlanden ist gecancelt.
Zu denen, die Týr nicht mehr hören wollen, gehört Sergio Sotric, der die "Essigfabrik" in Köln betreibt und sich selbst als Tierschützer bezeichnet. Nachdem das Wal- und Delfinschutz-Forum zum Boykott der Konzerte aufgerufen hatte, bekam Sotric zahlreiche Protest-Mails. Für ihn war die Entscheidung schnell klar: "Ich will einer Band, die sich an der blutigen Grindwaljagd beteiligt, keine Bühne bieten", sagt er.
Heri Joensen aber verteidigt trotz aller Anfeindungen seine Haltung. Am Telefon bleibt der 43-Jährige sachlich, er versucht den Vorwürfen vor allem mit Argumenten zu begegnen. Grindadráp sei eine legitime Art der Nahrungsbeschaffung, sagt er: "Ethisch sehe ich da keinen Unterschied, ob ein in freier Natur lebender Wal oder eine Kuh getötet wird." Sein Kommentar auf Facebook tut Joensen aber offenbar leid: Es gehe nicht darum, wer durch was ein echter Mann sei, hat er inzwischen ergänzt: "Das war ein blöder Witz."
In Joensens Heimat ist der Grindwalfang weder verboten noch verpönt. Das Gesundheitsministerium warnt zwar vor der hohen Quecksilber- und PCB-Belastung der Wale, doch die Färöer freuen sich über das kostenlose Fleisch, das nach einem traditionellen Schlüssel unter Helfern und Dorfbewohnern aufgeteilt wird. Jährlich werden rund 800 Grindwale getötet. Der Bestand im nördlichen Atlantik wird auf mehr als 100 000 Tiere geschätzt. Sie gelten damit nicht als bedrohte Art.
Gegner kritisieren am Grindadráp vor allem die Grausamkeit. Mit Motorbooten werden die bis zu drei Tonnen schweren Tiere zusammengetrieben. Im knietiefen Wasser warten dann schon die Männer. Sie versuchen, die Wale festzuhalten, indem sie ihnen Metallhaken ins Blasloch stoßen. Mit einem Messer durchtrennen sie den Tieren die Halsschlagader. "Natürlich fließt viel Blut ins Meer, wenn ein Wal getötet wird. Es ist aber sicher nicht schlimmer als in einem Schlachthaus", sagt Joensen. Für Sergio Sotric von der Essigfabrik ändert das nichts: "Vielleicht würden wir genauso reagieren, wenn irgendein Musiker mit einem aufgeschlitzten Schweinetorso und blutigen Händen in der Öffentlichkeit auftritt. Auch, wenn das völlig legal ist."