Süddeutsche Zeitung

Tierschutz:Japan im Walkampf

Walfänger schärfen die Harpunen, Tierschützer sabotieren die Walfangboote. Im Streit um das Jagdverbot lässt Tokios Polizei weltweit nach Tierschützern fahnden.

Christoph Neidhart

Drei Walfanggegner will Japan in diesen Tagen von Interpol weltweit suchen lassen. Die Polizei in Tokio erwirkte am Montag Haftbefehle gegen einen 28-jährigen Briten und zwei Amerikaner. Einer von ihnen wird beschuldigt, im Februar 2007 in antarktischen Gewässern eine Leuchtrakete auf ein japanisches Walfangboot abgefeuert zu haben. Die andern sollen die Schraube eines Fangschiffes mit einem Tau blockiert haben.

Es sind keine großen Verbrechen der Aktivisten von Sea Shepherd, einer radikalen Abspaltung von Greenpeace. Doch die harte Reaktion der Polizei ohne weitere Begründung erzählt einiges über die Absurdität, mit der das Thema Walfang derzeit in Japan behandelt wird.

Bereits im Juni verhaftete die Polizei der Präfektur Aomori zwei Greenpeace-Aktivisten. Sie saßen 26 Tage in Untersuchungshaft und wurden vorige Woche des Diebstahls und des Hausfriedensbruchs angeklagt. Sie haben, das bestreiten sie nicht, im Mai zwei Kisten Walfleisch entwendet. Allerdings nur, um sie zur Polizei zu bringen.

Stolz oder Trotz? Japan unterstützt die Walfangflotte

Japans Festhalten am Walfang wird zuweilen als verquerer Nationalstolz gedeutet. Andere sagen, es sei Trotz. Man lässt sich vom Ausland nicht vorschreiben, was man darf und was nicht. Dazu unterstützt der Staat Japans Walfangflotte mit etwa sechs Millionen Euro jährlich. Das Fleisch der offiziell zur Forschung erlegten Tiere gelangt, man will ja nichts vergeuden, in Japan auf den Markt.

Die meisten Japaner allerdings mögen Walfleisch nicht, niemand isst es regelmäßig. Die Erträge der Forschungsflotte übersteigen die Nachfrage, viel Fleisch bleibt unverkauft. Die Walfänger sollen deshalb, vermutlich seit Jahren, einen Teil der Beute stillschweigend unter sich aufteilen, berichtet Greenpeace. Nicht nur kleine Souvenirs, sondern große Brocken, die sie dann unter der Hand an Restaurants verkauften. Große Walfleischklötze kann man freilich nicht im Zug nach Hause schleppen. Dafür gibt es in Japan eine Paketpost für Tiefgefrorenes. Mit ihr haben die Walfänger das Fleisch nach Hause geschickt; aus ihrer Kühlkette haben es die Aktivisten "abgefangen".

Der indirekte Weg zum Verbot des Walfangs über den Steuerzahler

Die Umweltschützer gingen damit umgehend an die Öffentlichkeit. Sie sprachen von einem Riesenskandal. Japans Walfänger würden Walfleisch klauen - und somit, wegen der hohen Subventionen, Steuergeld stehlen. Seit einiger Zeit versucht Greenpeace die Steuerzahler gegen die Walfänger aufzubringen, um ihnen den Geldhahn abzudrehen.

Nachdem die Polizei erst gegen die Walfänger ermittelt hatte, wandte sie sich plötzlich gegen die Aktivisten - vermutlich auf einen Hinweis von oben, wo vor allem in der Regierungspartei LDP viele Walfangfreunde sitzen. Sie warf die beiden Tierschützer, die öffentlich gestanden hatten, bevor sie gefragt wurden, ins Gefängnis. Die vermeintlich betrogenen Steuerzahler zucken nur mit den Schultern. Die meisten essen zwar kein Walfleisch, sind aber dagegen, dass Japan sich internationalem Druck beugt. Und Staatsgelder werden anderswo in Japan in weit größerem Stil unterschlagen.

Mit den Haftbefehlen gegen die Aktivisten von Sea Shepherd und der langen Untersuchungshaft der beiden Greenpeace-Aktivisten versucht die japanische Regierung offenbar vor allem, ihren Stammwählern Rückgrat zu beweisen. Eine Festnahme der gesuchten Walfanggegner ist dabei praktisch ausgeschlossen. Denn in welchem Interpol-Land könnte es sich die Regierung politisch leisten, einen Walfanggegner an Japan ausliefern?

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SZ vom 19.08.2008/viw
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