Süddeutsche Zeitung

Seltene Tierrasse:Die Bergziege unter den Schweinen

  • Ein guter Bergsteiger, gut fürs Weideland auf den Almen, robust - aber zu wenig ertragreich. Die Rasse des Schwarzen Alpenschweins galt als so gut wie ausgestorben.
  • In Italien wurden per Zufall einige Tiere entdeckt. Inzwischen gibt es im Alpenraum rund 40 Zuchtgruppen.
  • In der Schweiz freuen sich Züchter und Tierfreunde nun über den ersten Wurf Schwarzer Alpenschweine im Land seit Jahrzehnten.

Von Titus Arnu

Schwarze Borsten, schlanke Beine, kurzer Rumpf, pelzige Schlappohren: Vreni und Gusti sehen auf den ersten Blick aus wie Wildschweine. Doch sie gehören zur Rasse der Schwarzen Alpenschweine, die seit gut 40 Jahren in der Schweiz als ausgestorben gilt. Auch im restlichen Alpenraum ist diese Art fast verschwunden. Vor hundert Jahren waren sie im Alpenraum noch in großer Zahl anzutreffen. Nun hat das seltene Schweinepaar für den ersten Nachwuchs seit Jahrzehnten gesorgt: Im Tierpark Goldau südlich von Zürich kamen acht Junge zur Welt. Züchter und Tierfreunde sind sauglücklich.

Vreni hat Anfang Februar acht Ferkel geworfen. "Eine schöne Zahl", freut sich Martin Wehrle, verantwortlicher Tierarzt in Goldau, "Alpenschweine haben zehn Zitzen, nicht so viele wie bei anderen Schweinerassen, aber ausreichend für acht Ferkel - da gibt es genug Milch für alle." Anders als der Name vermuten lässt, sind nur drei Ferkel schwarz wie ihre Eltern, zwei sind braun gestreift, drei sind hell und haben dunkle Tupfen. Alpenschweine wurden übrigens nicht aus modischen Gründen schwarz gezüchtet, sondern damit sie im Gebirge nicht so leicht Sonnenbrand kriegen.

Das Schwarze Alpenschwein gilt als Bergfex unter den Schweinen. Mit seinem kompakten Körper und den kräftigen, langen Beinen ist es berggängiger als gewöhnliche Hausschweine. Die Tiere wurden früher auf Almen gehalten, die Bauern trieben sie im Frühsommer auf den Berg, ließen sie nach Herzenslust Gras und Kräuter fressen und frei herumlaufen. Die Schweine bekamen die Molke von Käsereien und fraßen das Unkraut weg.

Dem Profit zum Opfer gefallen

Sie gelten nicht nur als Kulturgut, sondern auch als ökologische Helfer: Alpenschweine wühlen von Kühen platt getretene Wiesen wieder auf. Das raue Klima in der Höhe vertragen die robusten Tiere besser als hochgezüchtete Mastschweine, sie kommen ohne Antibiotika und Hormonpräparate aus. Die extensive Haltung bringt den Landwirten aber nicht so viel Profit wie ein Turbo-Mastschwein, das schon mit acht Monaten sein Schlachtgewicht erreicht hat. Deshalb existieren kaum noch Alpenschweine in den Alpen.

Durch Zufall wurden 2013 auf einem italienischen Lehrbauernhof noch Restbestände des Alpenschweins entdeckt. Das alpine Netzwerk "Pro Patrimonio Montano", welches sich grenzüberschreitend um den Erhalt alter Nutztierrassen einsetzt, übernahm die Weiterzucht der Tiere. Mittlerweile gibt es wieder 40 Zuchtgruppen in der Schweiz, in Südtirol und Österreich. Der Import der seltenen Schweine in die Schweiz ist wegen verschiedener Schweinekrankheiten schwierig, es gibt strenge Quarantänevorschriften. Vreni und Gusti kamen erst im Oktober aus der Steiermark und fühlten sich offensichtlich gleich sauwohl in Goldau.

Alpenschweine können zehn bis 15 Jahre alt werden, aber so lange wird die Familie von Vreni und Gusti wohl nicht im Tierpark residieren. "Das sind Nutztiere, männliche Schweine werden meistens nach ein, zwei Jahren geschlachtet", sagt Martin Wehrle. Die meisten Jungtiere gibt der Tierpark voraussichtlich an andere Zuchtgruppen ab, damit in Goldau keine Inzucht entsteht. Vielleicht begegnet einem im nächsten Sommer bei einer Bergtour ja eines der Tiere. Ein Alpenschwein wäre ein perfekter Wanderbegleiter, sagt Martin Wehrle: "Die haben richtig gute Kondition."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4371157
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.03.2019/bix
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.