Tiersommer 2020:An der Unstrut bleibt es spannend

Suche nach Krokodil in der Unstrut

Tröbsdorf bei Laucha: Ein Boot der Wasserschutzpolizei wird in die Unstrut gelassen. Mehrere Zeugen wollen dort ein Krokodil gesehen haben. Im Hintergrund Schloss Burgscheidungen.

(Foto: dpa)

2020 hat es hinbekommen, viel weniger heitere Sommertiergeschichten hervorzubringen als im langjährigen MitteI. Bis in Sachsen-Anhalt angeblich ein Krokodil gesichtet wurde - und der Tiersommer einen denkwürdigen Abschluss fand.

Von Cornelius Pollmer

Von der Öffentlichkeit fast unbemerkt erbrachte der Kabarettist Olaf Schubert vor Jahren eine Art Nichtexistenznachweis. In seinem Hördialog "Forum Forschung I" durfte ein gewisser Karl Dietz im Radio auftreten, um - so der Moderator - "eines der letzten großen Rätsel der Wissenschaft zu lüften". Was, bitte, "haben Sie uns mitgebracht?", fragte der Moderator, und Dietz sagte, er habe "Neues und Abschließendes zum Thema Yeti" dabei, "endgültige Fotobeweise", und um das gleich vorweg zu sagen, es gebe ihn leider "doch nicht", den Yeti.

Zum Beweis legte Dietz im Radio Fotos vor, und er sagte, er habe darauf "extra ein paar Stellen angekreuzt, auf denen er besonders gut nicht zu sehen ist". Es gibt mindestens zwei gute Gründe, sich das kleine Spiel jetzt noch einmal anzuhören. Der erste ist, dass es diese ohnehin eigentümliche Jahr auch noch hinbekommen hat, viel weniger heitere Sommertiergeschichten hervorzubringen als im langjährigen Mittel. Der zweite ist, dass dieser also schwache Tiersommer 2020 gerade in Sachsen-Anhalt aber zu einem denkwürdigen Abschluss gekommen ist.

Das mutmaßlich letzte Sommertier dieses Tiersommers nämlich ist möglicherweise gar nicht existent. Bislang jedenfalls gibt es nur Gerüchte und ein paar Fotos, auf denen jenes Krokodil besonders gut nicht zu sehen ist, das Zeugen in der Nähe von Laucha in der Unstrut gesehen haben wollen. Ein erstes Gerücht, bei dem möglichen Tier handele es sich um einen Ausbrecher aus dem Erlebnistierpark Memleben in Kaiserpfalz in der Nähe, erwies sich als falsch - in dem Park gibt es keine Krokodile, was den Ausbruch eines Krokodils entsprechend unwahrscheinlich macht.

Ein vorsorgliches Badeverbot gab es trotzdem. Sicher ist sicher

Wer mit Leander Haußmanns "Hai-Alarm am Müggelsee" seine Freude hatte, der kommt nun an der Unstrut nicht minder auf seine Kosten. Denn möge das Krokodil vielleicht gar nicht existieren, reale Folgen hat seine mögliche Existenz längst gebracht. Bei Tröbsdorf suchten Einsatzkräfte in zwei mit Blaulicht bebommelten Booten den Fluss ab, aus der Luft soll es Unterstützung gegeben haben. Die Deutsche Lebensrettungs-Gesellschaft brachte sich ein, dazu Feuerwehrleute sowie Mitarbeiter von Ordnungs- und Veterinäramt. Es las sich dann auch wie Enttäuschung, als Landrat Götz Ulrich erklärte, dass es trotz all dieser intensiven Maßnahmen keine konkreten Hinweise auf ein lebendiges Krokodil gegeben habe. Ein vorsorgliches Badeverbot für Teile der Unstrut verhängte Ulrich per Allgemeinverfügung dennoch, sicher ist sicher ist sicher.

Die Deutsche Presse-Agentur hatte da längst angebissen und berichtete über das "angebliche Krokodil", das (und schon hier schwand der Zweifel an der Existenz wieder aus den Zeilen): "laut Polizei weiterhin spurlos verschwunden" sei. Um der Realität beziehungsweise der Idee eines Krokodils dennoch weitere Flügel zu verleihen, wurde an dieser Stelle der "promovierte Forscher" Oliver Wings von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hinzugezogen. Dieser Oliver Wings stellte allen Gedanken sehr sauber gewissermaßen ein konditionales Krokodil voran, er sagte der dpa, "wenn es denn tatsächlich ein echtes Krokodil wäre", dann, so Wings und so nun also wieder der Nachrichtentext der dpa, dann hätte dieses Krokodil gerade nicht nur "relativ gute Überlebenschancen", nein, es "könnte theoretisch mit der Strömung der Flüsse bis nach Hamburg gelangen".

Was das wiederum für Hamburg bedeuten kann, bedeuten könnte, unter Umständen vielleicht dann doch wieder nicht bedeuten müsste, das kann mit Gewissheit niemand sagen. An der Unstrut aber bleibt es spannend. Entweder es taucht dort noch ein Krokodil auf oder es taucht nicht auf oder es taucht zumindest Karl Dietz aus dem Hörspiel von Olaf Schubert auf. Die Hörer hatte Dietz darin seinerzeit aufgefordert, sich zu beteiligen. Er sagte, "wenn also jemand Fotos hat, auf denen keine Yetis zu sehen sind oder keine Yetis zu sehen sein könnten", dann sei er, Karl Dietz, sehr an diesen Fotos interessiert.

Als sich die eventuelle Lage in Sachsen-Anhalt gerade beruhigte, brach vor wenigen Tagen im hessischen Ortenberg die Aufregung los, ein "angeblich lebendiges Krokodil sorgt für Rätselraten" (dpa). Experten wurden hinzugezogen, und noch bevor man sich an die mögliche Existenz auch dieses Krokodils hätte gewöhnen können, wurde sie schon in Zweifel gezogen. Während aber an der Unstrut vielleicht gar kein Tier gewesen sein könnte, attestiert der Kurator des Frankfurter Zoos, Johannes Köhler, Ortenberg zumindest etwas: ein Plastikkrokodil, ja, das könnte da schon gewesen sein.

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