Einsiedlerkrebse auf Wohnungssuche:"Die Krebse bilden sogar Warteschlangen"

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Dieser Einsiedlerkrebs im Nationalpark Ko Lanta kann sich glücklich schätzen, dass er einen festen Wohnsitz hat. Zahlreiche Artgenossen sind gerade obdachlos.

(Foto: imago/Nature)

In einem Nationalpark in Thailand mangelt es an Behausungen für Einsiedlerkrebse, weshalb die Bevölkerung nun Schnecken spendet. Was ist da los? Antworten von einem Meereszoologen.

Interview von David Pfeifer

Im thailändischen Ko-Lanta-Nationalpark bei Krabi sind zurzeit massenweise Einsiedlerkrebse obdachlos, weil sie keine Schneckenhäuser mehr finden. In ihrer Not ziehen manche schon in abgebrochene Flaschenhälse und Joghurtbecher um. Der Park rief in sozialen Netzwerken zu Spenden auf, und laut Bangkok Post sind bereits 200 Kilogramm Schneckenhäuser von der Bevölkerung zur Rettung der Tiere eingesendet worden. Der Meereszoologe Yannic Ege, 30, promoviert in Rostock zum Thema Einsiedlerkrebse und engagiert sich für die Meeresschutzorganisation "Mare Mundi".

SZ: Herr Ege, in Thailand wird nach neuen Gehäusen für Einsiedlerkrebse gesucht. Wie konnte es dazu kommen, dass die Krebse plötzlich ohne Bleibe dastehen?

Yannic Ege: Einsiedlerkrebse ziehen in ihrem Leben mehrmals um, doch sie geben ihre Schnecke nicht ohne Weiteres auf. Ihr Hinterleib ist weich und ungepanzert und erinnert an einen Engerling, daher ist die Behausung überlebensnotwendig. Der Krebs würde sich eher zerreißen lassen, als sie ohne Not aufzugeben. Doch wenn die Krebse wachsen und ihnen ein Gehäuse zu eng wird, dann suchen sie sich ein neues. Landeinsiedlerkrebse bilden sogar Warteschlangen. Wenn ein Krebs ein zu großes Schneckenhaus findet, wartet er, bis ein anderer Krebs umzieht, um dann das frei gewordene Haus zu beziehen. Die Einsiedlerkrebse reihen sich erstaunlich geordnet hintereinander ein und warten auf ihre Chance.

Hört sich an wie die Wohnungssuche in München.

Es kommt schon auch zu Gehäusekämpfen. Vor Jahren gab es tatsächlich eine Werbung einer japanischen Immobilienfirma, die künstliche Gehäuse mit ihrem aufgedruckten Firmenlogo am Strand verteilte - wenig später wurden die giftgrünen Schnecken mit Aufdruck von Einsiedlerkrebsen herumgetragen, die Firma war in aller Munde und steigerte ihren Umsatz.

Ist der Behausungsmangel im Nationalpark auf schneckensammelnde Touristen zurückzuführen?

Nein, ich würde eher annehmen, dass etwas im Ungleichgewicht ist im komplexen Umweltkreislauf. Und dass deswegen mehr Krebse das Larvenstadium überlebt haben.

Einsiedlerkrebse auf Wohnungssuche: Der Meereszoologe Yannic Ege, 30, promoviert an der Uni Rostock über die Gliedmaßen von Einsiedlerkrebsen. Wenn er über deren Suche nach der passenden Behausung spricht, klingt das ein bisschen nach Schwimmoscout24.

Der Meereszoologe Yannic Ege, 30, promoviert an der Uni Rostock über die Gliedmaßen von Einsiedlerkrebsen. Wenn er über deren Suche nach der passenden Behausung spricht, klingt das ein bisschen nach Schwimmoscout24.

(Foto: privat)

Was halten Sie von dem Aufruf, Schneckenhäuser an den Nationalpark zu senden?

Es ist eine schöne Geste, aber helfen wird es nur vor Ort. Denn die Schneckenhäuser fehlen ja dann wieder woanders. Es wäre allerdings besser, wenn man sie am Strand gar nicht erst aufsammelt und als Souvenir mit nach Hause nimmt. Oft landen die dann gleich im Müll, wegen des Gestanks, den sie bis dahin verbreiten, weil beispielsweise Einsiedlerkrebse darin verwest sind. Da ist es nachhaltiger, eine Handvoll Plastikmüll mitzunehmen und etwas für die Umwelt zu tun.

Bilder von Einsiedlerkrebsen, die sich in abgebrochenen Flaschenhälsen niedergelassen haben, assoziiert man sofort mit denen von Schildkröten mit Bierdosenöffnern um den Hals oder dem Foto des gestrandeten Wals, in dessen Magen kiloweise Zivilisationsmüll gefunden wurde.

Wenn Einsiedlerkrebse in einem Flaschenhals ein Zuhause finden, ist das für sie natürlich erst mal gut. Doch sie sind mit einer sehr feinen Sensorik ausgestattet und wittern, wenn ein anderer Krebs gestorben ist, weil sie dann das Gehäuse übernehmen können. Wenn allerdings ein Krebs in eine große Wasserflasche krabbelt, wo er einen bereits verendeten Artgenossen erspürt, ist er ebenfalls gefangen. Es gibt eine Untersuchung von Kollegen in Tasmanien, die Plastikflaschen mit Hunderten toten Einsiedlerkrebsen und Gehäusen darin gefunden haben. So gesehen ist das schon übel.

Sind Einsiedlerkrebse, trotz ihres Namens, soziale Wesen?

Sie haben kein großes Bewusstsein für sich und ihre Umwelt. Aber sie sind sensorisch empfindlich und reagieren entsprechend, wenn auch nicht im eigentlichen Sinn intelligent.

Menschen geheimnissen ja gerne was hinein in die Tiere und ihr Verhalten. Kennen Sie als Meereszoologe den aktuell erfolgreichen Dokumentarfilm: "Mein Lehrer, der Krake?"

Nein.

Es geht um einen Kameramann, der sich angeblich mit einer Oktopus-Dame anfreundet.

Kraken gelten als die intelligentesten wirbellosen Tiere. Es gibt Sepia-Arten, die einen Einsiedlerkrebs nachmachen können, komplett mit Gehäuse und Scheren, die sie aus ihren Tentakeln formen, um nicht angegriffen zu werden oder besser jagen zu können. Außerdem sind Kraken neugierig, sie erkennen zwar keine Menschen, aber wenn da ein Wesen jeden Tag in ihre Nähe kommt und keine Gefahr darstellt, dann stehen sie dem positiv gegenüber. Ich nehme an, dass auch Futter im Spiel war. Von Freundschaft würde ich allerdings nicht gleich sprechen.

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