Thailand:Der Klang des Muschelhorns

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Über mehrere Tage zieht sich die Krönung des neuen Königs Rama X. hin. Ein Lorbeerblatt ist dabei ebenso wichtig wie die Verwendung von heiligem Wasser. Die Thailänder feiern den neuen Monarchen als Reinkarnation Gottes.

Von Arne Perras, Bangkok

Veen Vijabund wollte nichts dem Zufall überlassen, die Thailänderin hat schon vor zwei Tagen mit ihrer Mutter ins Royal Rattanakosin Hotel eingecheckt, das direkt an der Strecke der Königsprozession in Bangkok liegt. Am Sonntag haben Mutter und Tochter gegen zehn Uhr ihren Platz mit freiem Blick auf die Straße bezogen. "Wir haben uns gut vorbereitet, Wasser, Proviant und Sonnenschirme eingepackt", sagt sie, sie seien darauf eingestellt, bis zu zehn Stunden durchzuhalten, wenn es sein muss. Man erreicht die Tochter am frühen Nachmittag nur per Telefon, das Gedränge entlang der Strecke ist schon zu groß, um bis zu ihr vorzudringen.

"Wir wollen dem König unseren Respekt und Dankbarkeit zeigen", sagt Veena Vijabund. Ihre Mutter, 72 Jahre alt, hatte Maha Vajiralongkorn, als er noch ein Kronprinz war, einmal Blumen überbracht, vierzig Jahre ist das her, Pensri Vijabund, sie war damals Fallschirmjägerin in den Special Forces. Sie sprang also mit einem Strauß Blumen aus dem Flugzeug, den sie schließlich, glücklich gelandet, dem Kronprinz überreichen durfte. Ein unvergesslicher Moment. Und nun war es der größte Wunsch der 72-Jährigen, ihn noch einmal sehen. Sie hat das Foto mitgebracht, das sie mit dem jungen Kronprinzen zeigt, damals als junge Frau. Das Bild will sie dann auch hochhalten, wenn der gekrönte König Rama X. am späten Nachmittag in der Sänfte an ihnen vorbeigetragen wird.

Während der Zeremonie steckt er sich das Lorbeerblatt hinter das rechte Ohr

Tags zuvor konnten die Thailänder schon an den Fernsehschirmen live die Krönung im Palast mitverfolgen: Samstag, 10.22 Uhr: Rama X. tritt aus dem Thronsaal in den sonnigen Hof, wo er sich einer ausgiebigen rituellen Reinigung unterzieht. Wasser, gesegnet und göttlich, spielt eine herausragende Rolle bei der Zeremonie zur Krönung. Der Monarch ist in ein weißes Tuch gehüllt, wie Fernsehbilder zeigen. Er geht an ein goldenes Tischchen, das Gaben für die Götter bereithält, Blumen und Früchte. Der 66-Jährige entzündet Kerzen und Räucherstäbchen, dann nimmt er unter einem spitzen goldenen Dach Platz, das auf vier Säulen ruht. Dort regnet heiliges Wasser auf ihn herab.

Dann nähern sich buddhistische Mönche und der Chefpriester, ein Brahmane vom königlichen Hof. Er gießt dem König aus einem Muschelhorn heiliges Wasser in die Hände, er nimmt es auf und verteilt es über Gesicht und Haare. Wie es die Tradition vorgibt, ist das Wasser fünf thailändischen Flüssen und vier Teichen entnommen. Mehr als zwei Stunden dauert die Krönung an diesem Morgen, Rama der X. erhält nun gleich die Insignien der monarchischen Macht. Nach der rituellen Reinigung zieht sich der König zurück, um sich umzukleiden. 44 Minuten später erscheint er in einem schweren goldbestickten Mantel, er absolviert eine sogenannte Salbungszeremonie auf einem achteckigen Thronhocker, wieder gibt es heiliges Wasser und dazu ein Lorbeerblatt, das er sich hinters rechte Ohr steckt.

In den Feierlichkeiten zur Krönung verschmelzen buddhistische und brahmanische Riten, die ihren Ursprung in Indien haben, sie haben sich über die Jahrhunderte kaum verändert. Zuletzt erlebten die Thailänder eine solche Krönung 1950. Zu jener Zeit war Ramida Laojamras noch nicht geboren, sie sitzt am Samstagvormittag einige Kilometer vom Palast entfernt, in ihrem Friseurladen "Lek Barber" und verfolgt die Krönung auf einem alten Fernseher. "Ich habe so was noch niemals gesehen", sagt die 60-Jährige, bei der Krönung von Bhumibol Adulyadej war sie noch nicht geboren. "Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir unsere Traditionen auf diese Weise erhalten, jedes Land braucht doch kulturelle Wurzeln", sagt die Chefin des Friseursalons. So kann sie auch für einen Moment ihre Alltagssorgen vergessen. Zwar läuft das Geschäft ganz gut, "aber alles wird teurer, während unser Einkommen stagniert."

Unterdessen nährt sich am Samstag die Zeremonie im Palast ihrem Höhepunkt. Der König besteigt den Thron aus Feigenholz, überspannt von einem neunstufigen weißen Schirm. Er lauscht reglos den Worten des Chefpriesters, für die Betrachter an den Fernsehern ist der Ton nun für einige Minuten abgeschaltet, nur im Saal sind die heiligen Worte zu hören, die erst später bekannt gegeben werden. Der Priester ruft in diesem Moment Gott Shiva an, auf dass sein Geist den Körper des Königs erfülle. Dem alten Glauben folgend sind thailändische Monarchen eine Reinkarnation Gottes.

Um 12.09 Uhr wird die Krone gereicht, mehr als sieben Kilogramm ist sie schwer, aus Gold und Edelsteinen. Auf der Spitze sitzt ein Diamant, den ein Vorgänger, König Rama IV., einst aus Indien nach Thailand brachte. Der König nimmt die Krone mit beiden Händen entgegen und setzt sie sich selbst auf den Kopf, wie es die Tradition vorsieht. Mehrmals greift der Monarch nach oben, um die Krone zurechtzurücken, bis sie richtig sitzt.

Er spricht nur einen einzigen Satz, dann wird er auf einer Sänfte durch die Stadt getragen

Im Saal ertönen immer wieder Klänge aus großen Muschelhörnern, warme Töne, leicht dissonant. Draußen zünden Soldaten Kanonen auf dem Feld, donnernder Salut für den König, der nun noch weitere Insignien seiner Macht erhält: Schwert, Zepter, Fächer und vergoldete Sandalen, der Priester schiebt sie dem König unter die blank polierten schwarzen Schuhe mit ihren silbernen Schnallen.

Um 12.18 Uhr gibt der Monarch seine erste Erklärung als gekrönter König ab, es ist nur ein einziger Satz: "Ich werde das Land weiterhin erhalten, entwickeln und gerecht regieren, zum Wohle aller Thailänder." Schließlich ist der Moment für Königin Suthida gekommen, erst am Mittwoch hatte sie den König geheiratet, was eine große Überraschung war. Die 40-Jährige tritt vor den Monarchen, kniet nieder und wird von ihm gesegnet. Das Paar verlässt einige Minuten später den Saal durch große goldene Flügeltüren, doch die Feierlichkeiten sind damit nicht beendet, sie werden sich noch mit viel Pomp bis zum Montag hinziehen.

Sonntag, 17.09 Uhr: Hunderte Palastwächter, Soldaten und Schirmträger haben in ihren farbenprächtigen historischen Uniformen Aufstellung genommen, der König sitzt auf seiner goldene Sänfte, die von 16 Männern in rotem Anzug und goldenen Helmen getragen wird. Der Monarch trägt rote Strümpfe, auf dem Kopf hat er einen edlen schwarzen Hut, halb Pickelhaube, halb Stetson, mit einem großen weißen Federschweif.

Trompeten schmettern, Trommeln wirbeln, mit fröhlich-heiterer Marschmusik, in die sich noch der Klang dudelnder thailändischer Flöten mischt, setzt sich die Prozession in Bewegung, sie verlässt den Palast und bewegt sich nun über die abgesperrte Strecke, wo Zehntausende Thailänder schon stundenlang mit Fähnchen warten. Gegen sechs Uhr abends passiert der Monarch die Stelle, wo Mutter und Tochter Vijabund das Foto von damals durch die Luft schwenken, Fallschirmspringerin mit Blumen und Kronprinz, 1979. "So einen Moment wie diesen erlebt man als Thailänder vielleicht nur einmal", sagt Tochter Veena, nachdem die Prozession vorüber ist.

© SZ vom 06.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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